10 Tipps zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz

Auch acht Jahre nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gibt es Bereiche, die arbeitsrechtlich noch nicht "ausgefochten" sind. ?So gibt es nach wie vor Tarifverträge mit altersdiskriminierenden Klauseln, firmeninterne Beförderungstraditionen, die nicht im Sinne der Gleichbehandlung sind, oder eine verbreitete Einstellungspraxis, die unter anderem Mütter benachteiligt. Selbst wenn die anfänglich befürchtete „Flutwelle“ von Verfahren und die "ausufernden Entschädigungsprozesse" ausgeblieben sind, sind die mit dem AGG verbundenen Rechte und Pflichten sowohl auf Arbeitnehmer- wie auch auf Arbeitgeberseite nicht allen Beteiligten vertraut.?Hierzu sollen die folgenden 10 Tipps zum AGG beitragen. 

Tipp 1: Stellenanzeigen sollten diskriminierungsfrei formuliert sein?Dass eine Stellenanzeige nicht nur für eine "Verkäuferin" oder einen "Handelsvertreter (m)" ausgeschrieben werden darf, sollte sich inzwischen herumgesprochen haben. Vorsicht aber auch vor Formulierungen vor der expliziten Suche nach "englischen Muttersprachlern", wenn verhandlungssichere Sprachkenntnisse eines Nichtmuttersprachlers objektiv ausreichen!

Tipp 2: Bewerbungsunterlagen ohne Foto??Wird in einer Stellenanzeige nach einem Foto verlangt, kann das auf eine Diskriminierung hinweisen – abgelehnte Bewerber könnten sich darauf berufen, wegen ihres auf dem Bild erkennbaren Alters, einer sichtbaren Behinderung oder dunkler Hautfarbe nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen worden zu sein. Der Gegenbeweis für den Arbeitgeber, dass dies keine Rolle spielt, fällt schwer – schließlich hat er selbst explizit nach einem Foto gefragt, und dieses hat dann zumindest auch eine Rolle für die Vorauswahl gespielt.??Kleiner Trost für Arbeitgeber, die trotzdem gerne vorab einen bildlichen Eindruck haben wollen: Auch ohne entsprechende Anfrage legen die meisten Bewerber freiwillig ein Bild bei.??

Tipp 3: Unzulässige Fragen im Bewerbungsgespräch?Fragen im Bewerbungsgespräch zum Geburtsort (bei Bewerbern mit ausländischem Namen/Aussehen oder Akzent) sind ebenso tabu wie Fragen nach Religionszugehörigkeit oder Familienstand. Wird ein Bewerber daraufhin abgelehnt, besteht das Risiko von Schadensersatzansprüchen wegen unzulässiger Diskriminierung.

Tipp 4: Vorsichtsmaßnahme für Arbeitgeber: Bewerbungsgespräche zu zweit führen?Trotz sämtlicher Vorkehrungen und Kenntnisse über die Verhaltensweise während eines Bewerbungsgesprächs ist es sinnvoll diese Termine zu zweit zu führen und so bei Streitigkeiten über den Gesprächsverlauf einen Zeugen vorweisen zu können.

Tipp 5: Das Recht zur Lüge?Fragt ein Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch nach Schwangerschaft oder Kinderwunsch der Bewerberin, so darf die Bewerberin diese Frage wahrheitswidrig verneinen. Findet der Arbeitgeber später heraus, dass die Bewerberin gelogen hat, darf das keine Konsequenzen haben. Die Arbeitsgerichte erkennen in diesen Fällen ausnahmsweise ein "Recht zur Lüge" an. Denn die wahrheitsgemäße Alternative, die Frage entweder zu bejahen oder gar nicht zu beantworten, kann zu einer diskriminierenden Ablehnung der Bewerberin führen. ??Einzige Ausnahme: die Frage nach einer Schwangerschaft ist dann zulässig und sogar geboten, wenn es im Interesse der Arbeitnehmerin um deren Gesundheitsschutz geht (etwa für eine Position mit schwangerschaftsgefährdender Immissionsbelastung).??

Tipp 6: Absagen knapp halten?Viele Fehler werden bei der Formulierung von Absagen gemacht. Neben dem Bedauern, die Stelle anderweitig vergeben zu haben, begründen viele Arbeitgeber diese Entscheidung ausführlich und weisen den Bewerber auf Nachfrage auch auf eventuelle Mängel der Bewerbung hin. Das Risiko einer unvorsichtigen und falschen Formulierung, die als Diskriminierung aufgefasst werden kann, ist dabei hoch. Schon ein Satz wie "Es tut uns leid, wir haben uns bei zwei gleichwertigen Bewerbungen für den Kandidaten mit deutlich mehr Erfahrung entschieden", kann auf eine Diskriminierung wegen des (geringeren) Lebensalters hindeuten. ??Deshalb: Absagen möglichst kurz halten, allenfalls auf die Entscheidung für einen Bewerber mit "besseren Qualifikationen" verweisen und auch auf Nachfrage möglichst keine ausführlicheren Begründungen für die Absage geben!??

Tipp 7: Vor Ablauf der Ausschreibungsfrist zurückgesandte Bewerbungsunterlagen?Die Rücksendung von Bewerbungsunterlagen vor Ablauf der Ausschreibungsfrist kann auf ein sofortiges Ausscheiden des Bewerbers aufgrund eines der Diskriminierungsmerkmale des AGG hinweisen, bzw. kann dies ein Anzeichen dafür sein, dass der Bewerber nicht ausreichend in die Auswahl einbezogen wurde.

Tipp 8: Berücksichtigung des AGGs bei Beförderungen?Auch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses darf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nicht außer Acht gelassen werden. Gerade Beförderungsmaßnahmen dürfen nicht an unzulässige Kriterien anknüpfen. So stellt eine verweigerte Beförderung aufgrund einer bestehenden Schwangerschaft eine verbotswidrige Benachteiligung dar. Das bedeutet jedoch nicht, dass allein das Vorliegen einer Schwangerschaft einen Anspruch auf Beförderung begründet und die Nichtbeförderung eine Diskriminierung darstellt. Das bloße Bestehen der Schwangerschaft zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beförderung, kann alleine nicht ausreichen, um eine Diskriminierung zu bejahen. Zulässig ist jedoch, dass eine Beförderung von objektiven Auswahlkriterien abhängig gemacht wird, die für die angestrebte Stelle relevant sind. Solche Kriterien stellen zum Beispiel Fähigkeiten, Qualifikationen und Leistungen dar.??

Tipp 9: Schutz vor Diskriminierung unter Kollegen?Diskriminierungsverbote bestehen nicht nur zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das AGG verbietet auch die Diskriminierung unter Kollegen und erstreckt sich auch auf die Fälle, in denen ein Mitarbeiter von Dritten, wie zum Beispiel von Kunden, diskriminiert wird. Deshalb: Erfährt der Arbeitgeber von Diskriminierungsvorfällen gegenüber einem seiner Mitarbeiter, so muss der Arbeitgeber handeln. Als geeignete Maßnahme kann hier eine Abmahnung in Betracht kommen. Verstöße gegen das AGG können jedoch auch eine Umsetzung, Versetzung oder sogar eine Kündigung zur Folge haben.

Tipp 10: Diskriminierungsfreie Beendigung des Arbeitsverhältnisses – schriftliche Begründung der Kündigung??Auch bei Beendigung des bestehenden Arbeitsverhältnisses, muss das AGG berücksichtigt werden. Zu beachten ist hier, dass eine Kündigung grundsätzlich auch ohne Nennung eines Kündigungsgrundes formwirksam ist. Ausnahmsweise kann jedoch die Angabe eines Grundes aufgrund gesetzlicher oder tariflicher Vorgaben erforderlich sein. So kann zum Beispiel die Kündigung eines Auszubildenden gemäß § 22 Abs. 3 BBiG nur unter Angabe eines Kündigungsgrundes erfolgen.??Achtung: Wird ein Kündigungsgrund freiwillig oder aufgrund gesetzlicher Vorgaben angegeben, ist er nur dann als zulässig anzusehen, wenn er an das Verhalten oder die Person des Betroffenen anknüpft, oder eine betriebliche Notwendigkeit zum Gegenstand hat. Ein Kündigungsgrund, der auf einem der Merkmale des AGGs, also auf dem Alter, auf Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, dem Geschlecht, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung oder der sexuellen Identität beruht, kann zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.

?© 2014 Gabriele Xaver, Fachanwältin für Arbeitsrecht, MAYR Kanzlei für Arbeitsrecht
Aktuelle und wissenswerte Informationen aus dem Bereich "Arbeitsrecht" stellen unsere Partner, MAYR Kanzlei für Arbeitsrecht zur Verfügung. 

www.mayr-arbeitsrecht.de und www.mayr-arbeitsrecht-potsdam.de

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