Ab sofort goldnagelneu: Werbung von gestern. Heute: Wella.

Der neue Typ – Kosmetikwerbung für die Herren der Schöpfung in den frühen 60ern

Männer brauchen Fakten. Das war schon in den 60ern so und die Werbung machte eifrig Gebrauch von dieser Weisheit. In langen Copy-Texten wurden die Vorteile der Produkte mit geradezu wissenschaftlicher Akribie erklärt. Gesundheit und Schönheit sowie die Wirkung gegen Kopfjucken, Schuppen und Haarausfall bekam man mit dem richtigen Haarwasser quasi frei Haus versprochen. Und das dank biologischer Wunderwirkstoffe „vom Besten, was die Natur zu bieten hat“. Die Männer wurden nun mit Notwendigkeiten in die Pflicht genommen, die ihnen zuvor unbekannt waren und sollten sich fortan Gedanken über das Aktivieren ihrer Kopfhaut oder den Schutz ihres Haares vor Feuchtigkeit machen.

Um ihre Produkte besser bewerben zu können, erfand die Kosmetikindustrie einfach ein Vorbild, das für alle gelten sollte

Richtig zum Tragen kam diese Art der Präsentation aber erst mit einem Marketing-Coup, der auch bald das Straßenbild prägen sollte: Die Aneignung des sogenannten neuen Typs. Der neue Typ trug Anzug und Krawatte, war extrem gepflegt und stets akkurat frisiert. Natürlich dank der Haarpflegeprodukte von Wella.

„Dem neuen Typ das neue Wellaform“ lockt eine Anzeige aus dem Jahr 1962. Und wie der neue Typ auszusehen hatte, wurde auch gleich mitgeliefert. Cool und perfekt gescheitelt, systemkonform und erfolgreich. Ein Gegensatz zu den bisherigen Strategien, die den Mann als unabhängigen Individualisten bewarben. Seinem Haar kann nichts etwas anhaben. Es trotzt auch der windigen und haarfeindlichen Umgebung einer Autobahnbrücke. Und zwar so, dass die attraktive Frau im Hintergrund vielleicht genau auf diesen Typ Mann wartet. Wer etwas auf sich hält, entspricht ihm und damit dem Zeitgeist. So suggerierte es die Werbung. Und sie funktionierte.

Mit farbigen Heiligenscheinen erhellte Portraits machten deutlich, wie die neuen Zeitgeistler auszusehen hatten

In zwei weiteren Anzeigen wird wortreich das „bewährte Diplona Vitaminhaarwasser“ beworben. Mit dem Claim „es ist nie zu früh und selten zu spät“ – gemeint ist für Schönheit und Gesundheit –  wurde der Kaufdruck aufgebaut und der Mann aufgefordert, etwas für sich und sein Haar zu tun. Den visuellen Schwerpunkt bilden überstark colorierte und mit einem farbigen Heiligenschein erhellte Portraitfotografien, auf denen Paradebeispiele des neuen Erfolgstyps mit akkuraten Betonfrisuren die Vorzüge der Produkte präsentierten. Auf diese Weise wurde ein fast schon göttliches Vorbild geschaffen, dem die Männer gerne gerecht werden wollten. Ein Spiegelbild der Gesellschaft oder Souffleuse eines konstruierten Zeitgeistes? Wahrscheinlich ein bißchen von beidem.

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