Das neue Entgelttransparenzgesetz – Ein Fortschritt für die Gleichberechtigung?

Dass die Bezahlung in Deutschland zu einem erheblichen Teil vom Geschlecht abhängt, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Zwischen den Bruttostundenlöhnen von Männern und Frauen bestand im Jahr 2016 eine geschlechterabhängige Differenz von 21 Prozent zugunsten der Männer. Dabei schnitt der Osten mit einem Unterschied von 8 Prozent deutlich besser ab als der Westen Deutschlands (23 Prozent), trotzdem besteht die Lücke auch hier. 

Dieser Effekt ist teilweise über unterschiedliche Lebensläufe oder strukturelle Faktoren zu erklären. Darunter fällt zum Beispiel eine geschlechterspezifische Berufswahl, wobei traditionelle „Frauenberufe“ (Erziehung, Pflege, soziale Arbeit) meist deutlich schlechter bezahlt sind als traditionell eher männlich assoziierte technische Berufe. Dazu gehören aber auch eine geringere Präsenz von Frauen in Führungspositionen, familienbedingte Erwerbsunterbrechungen und Teilzeittätigkeiten und die dadurch bedingte geringere Berufserfahrung. Hier schlagen sich insbesondere das traditionelle Familienbild, nach dem auch heute noch hauptsächlich die Frau für die Erziehung zuständig ist, und fehlende Betreuungsmöglichkeiten für Kinder nieder. DESIGNERDOCK Düsseldorf Inhaberin Birgit Bischoff sprach dabei in einem Gastbeitrag in der HORIZONT Online unlängst vom „Gender Care Gap“.

Diese Faktoren können die Entgeltlücke aber nicht alleine erklären. Auch bei gleich qualifizierten Frauen und Männern mit ansonsten ebenfalls gleichen Merkmalen, erhalten Frauen immer noch ca. 7 Prozent weniger Lohn als Männer. 

Um diese Lücke zu schließen, hat der Bundestag am 30. März 2017 einen Gesetzesentwurf mit dem langen Namen „Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen – Entgelttransparenzgesetz“ beschlossen. Dieses Gesetz hat am 12. Mai 2017 auch den Bundesrat passiert und wird am Tag, nachdem er im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wird, was bei Veröffentlichung dieses Artikels vermutlich bereits geschehen ist, in Kraft treten.  

Wie bei jedem neuen Gesetz stellen sich damit Fragen: Wer wird von dem neuen Gesetz überhaupt erfasst? Was regelt das Gesetz? Welche Auswirkungen hat das Gesetz? Und warum ist das so?

Wer ist erfasst?

Erfasst werden Beschäftigte, die bei einer natürlichen oder juristischen Person beschäftigt sind. Neben diversen Staatsbediensteten (Beamt*innen, Richter*innen und Soldat*innen) gehören in der Privatwirtschaft Arbeitnehmer*innen, Auszubildende und in Heimarbeit Beschäftigte dazu. Freelancer*innen und sonstige freiberuflich Arbeitende fallen ebenso wie Geschäftsführer*innen nicht unter das Gesetz. 

Was regelt das Gesetz?

Hat ein Unternehmen mehr als 200 Beschäftigte, dann haben einzelne Beschäftigte einen Auskunftsanspruch gegen das Unternehmen über die Kriterien und Verfahren, nach denen das Entgelt bestimmt wird (zum Beispiel nach Tarifvertrag, Vereinbarung mit dem Betriebsrat oder frei verhandelt) und über ein Durchschnittsentgelt vergleichbarer Kollegen. Dieser Anspruch ist recht kompliziert ausgestaltet. 

Beschäftigte können Auskunft über das durchschnittliche Bruttogehalt (sog. Median) einer Vergleichsgruppe von sechs Kolleg*innen des anderen Geschlechts im gleichen Betrieb verlangen. Daneben haben Sie Anspruch auf Einblick in zwei weitere Entgeltbestandteile (Dienstwagen, Erfolgsprämien, Tantieme usw.). Anfragen sind in Textform an den Betriebsrat zu richten. Gibt es keinen, dann müssen sie direkt an das Unternehmen gerichtet werden. In dieser Anfrage muss die mögliche Vergleichsgruppe genannt werden. Der Betriebsrat oder das Unternehmen muss die Anfrage innerhalb von 3 Monaten beantworten. Bekommt der/die Mitarbeiter*in die Antwort nicht rechtzeitig, wird eine Diskriminierung vermutet und der/die Beschäftigte kann auf gleiche Vergütung klagen.

Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten sollen ihre Entgeltregelungen und die verschiedenen gezahlten Entgeltbestandteile sowie deren Anwendung auf die Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots prüfen. Also sich fragen: „Welche Regelungen haben wir hier schon? Wie garantieren wir die Einhaltung der Entgeltgleichheit? Die Selbstprüfung ist aber nicht verpflichtend.

In Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten (die nach § 264 und § 289 HGB lageberichtspflichtig sind), muss ein Bericht über die vom Unternehmen getroffenen Maßnahmen zur Herstellung der Gleichstellung und Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen erstellt werden. Arbeitgeber, bei denen ein Tarifvertrag anwendbar ist, müssen diesen Bericht alle 5 Jahre erstellen, andere Unternehmen alle 3 Jahre. Sanktionen für das Weglassen dieses Berichtes sind aber keine angedroht. 

Welche Auswirkungen hat das Gesetz?

Die Auswirkungen des Gesetzes werden voraussichtlich überschaubar sein. Dem Ziel, Entgeltgleichheit herzustellen, wird uns das Gesetz voraussichtlich nicht wesentlich näher bringen. Gleichzeitig kommt auf lageberichtspflichtige Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten in größeren zeitlichen Abständen ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand zu. Die Folgen der Lageberichte sind bisher noch überhaupt nicht abzuschätzen.

Warum ist das so?

Die Prüfung der Entgeltstrukturen auf Einhaltung des Gleichheitsgebots betrifft zwar ca. 6.300 Unternehmen, es ist aber nur eine Empfehlung, der Unternehmen freiwillig folgen müssten. Obwohl ein derartiger Bericht in Zeiten des Fachkräftemangels möglicherweise einen positiven Employer Branding Effekt hat, werden die wenigsten Unternehmen einen solchen Bericht erstellen. Schließlich müssen sie zunächst die Kosten der Prüfung tragen und setzen sich dann dem Risiko aus, von ihren Mitarbeiter*innen auf gleiche Bezahlung verklagt zu werden.

Auch die Wirkung des Auskunftsanspruchs bleibt abzuwarten. Bei vielen Experten bestehen Zweifel daran, dass der Median eine geeignete Grundlage ist, um Diskriminierung aufzudecken. Auch fallen unter die Regelung zwar insgesamt ca. 14 Millionen Arbeitnehmer*innen. Wie viele von ihrem Informationsrecht Gebrauch machen werden, muss sich aber erst noch zeigen. Und wie viele dieses Recht im Streitfall auch gerichtlich durchsetzen, umso mehr. Schließlich möchten die Wenigsten ihr Arbeitsverhältnis mit einem gerichtlichen Verfahren belasten. Die Möglichkeit, Auskunftsansprüche zum Beispiel von einer Gewerkschaft geltend machen zu lassen, wäre ein deutliches Signal gewesen, dass das Gesetz mehr sein soll als ein Feigenblatt und hätte gleichzeitig die Gewerkschaften gestärkt. Diese Möglichkeit nicht aufzunehmen, ist dann eben auch ein Zeichen. 

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