Das Panorama ist frei … auch wenn es sich bewegt

Wer sich beruflich mit Foto- und Videokampagnen beschäftigt, der weiß zumeist: Das Recht, einzelne Bauwerke oder Kunstwerke abzubilden, liegt zunächst einmal bei deren Urheber oder dem Lizenznehmer. Die sogenannte Panoramafreiheit ermöglicht es Fotografen, im öffentlichen Raum zu fotografieren und diese Fotos dann auch zu veröffentlichen oder zu vermarkten. Voraussetzung für die Panoramafreiheit ist dabei, dass die Bilder von öffentlichen Wegen aus fotografiert werden und sich das Motiv „bleibend“, also dauerhaft, an diesem Ort befindet. Zudem muss eine Quellenangabe erfolgen.

Was aber bedeutet „bleibend“und welche Auswirkung hat die Definition auf den Alltag von kommerziellen Werbeproduktionen??

Hierzu gab es jüngst eine gerichtliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs¹:

Es geht um ein Foto des AIDA Kreuzfahrtschiffs mit dem charakteristischen roten Kussmund auf dem Bug. Ein Anbieter von Landausflügen hatte ein Foto des im Hafen liegenden Aida-Schiffes online gestellt, auf dem auch ein Teil eben dieses zu sehen war. Die Reederei von Aida hatte ihn daraufhin verklagt.

Wo hat die Panoramafreiheit ihre Grenzen?

Jeder kennt die Postkarten, die beliebte Bau- und Kunstwerke zeigen. Natürlich kamen Unternehmen schnell auf die Idee, Postkarten mit beliebten Motiven zu vermarkten. An diesen „Postkartenfällen“ machte der Bundesgerichtshof allerdings schnell klar, wo die Grenzen der Panoramafreiheit liegen. So gilt die Panoramafreiheit nicht bei Bildern, die mit Hilfsmitteln aus dem öffentlichen Raum heraus erstellt wurden und somit ungewöhnliche Perspektiven und Einblicke eröffnen². Dazu zählen Bilder, die von Leitern, Kränen, Balkonen oder sogar mithilfe von Selfie-Sticks aufgenommen werden, wenn sie zum Beispiel zur Überwindung eines Sichthindernisses eingesetzt werden. ?Außerdem ist der Kreativität des Fotografen bei der Nachbearbeitung eine deutliche Grenze gesetzt. So hat das Oberlandesgericht Köln³ entschieden, dass die Panoramafreiheit sich nicht auf die nachträgliche Bearbeitung von Bilddateien erstreckt, nachdem die Außeninstallation eines Künstlers mit dem Schriftzug „Liebe deine Stadt“ von einem Unternehmen fotografiert und digital bearbeitet worden war. Das Urhebergesetz regelt dies auch in § 62: Demnach darf das fotografierte Werk nicht beliebig verändert werden. Es sollte vielmehr unter Verwendung der typischen fotografischen Gestaltungsmitteln (Wahl des Lichtausschnittes, Helligkeitsveränderungen, Brennweite und Belichtungszeit usw.) möglichst originalgetreu wiedergeben werden.??

Was sagt die neue Entscheidung?

Im Fall des Aida-Kussmundes wurde vor allem über das Wort „bleibend? (4) diskutiert. Denn „bleibend“ sind an sich nur Werke, die sich dauerhaft an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden. Bei architektonischen Werken wie Häuser oder feste Skulpturen ist dies natürlich immer der Fall. Aber ein Schiff ist kein Haus; es bewegt sich auf den öffentlichen Wasserwegen. Dem hielten die Richter des BGH entgegen, dass ein Kreuzfahrtschiff dazu bestimmt sei, für eine längere Dauer im Küstenmeer, auf Seewasserstraßen und in Häfen eingesetzt zu werden. Dort sei es dann von frei zugänglichen Orten aus frei wahrnehmbar. 

Vergleichbar sei das mit der Werbung an Fahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr, die ebenfalls unter die Panoramafreiheit fallen würden. Das Fotografieren im öffentlichen Raum würde zu weitgehend eingeschränkt werden, wenn die Aufnahmen von Bussen und Bahnen mit Werbezügen urheberrechtliche Ansprüche auslösen würden. Die Richter des BGH argumentieren sogar soweit, dass Künstler, die Werke für einen solchen Verwendungszweck schaffen, es hinnehmen müssten, dass ihre Werke an öffentlichen Orten ohne ihre Einwilligung aufgenommen werden.

Welche Folgen hat das?

Wollen Sie Fotos von Kunst- und Bauwerken im öffentlichen Raum aufnehmen, müssen diese Fotos vom öffentlichen Straßenland aufgenommen werden. Weder darf das Foto aus einem Gebäude heraus fotografiert werden, noch dürfen Hilfsmittel eingesetzt werden, um einen interessanteren Winkel zu erhalten. Als Faustregel gilt also, dass das, was der Passant von der Straße aus mit eigenen Augen sehen kann, mehr oder weniger frei genutzt werden darf.

Bei dem gewählten Motiv darf es sich auch nicht nur um ein temporäres Werk handeln. Es muss auch „fest“ sein, allerdings darf es sich – wie eben das AIDA Schiff – fortbewegen. Wenn diese Voraussetzungen eingehalten werden, können Fotos, die Werke anderer zeigen, bei entsprechender Quellenangabe sogar gewerblich genutzt werden – und das sowohl im offline Bereich der klassischen Postkarten, als auch im online Bereich der heutigen Internetangebote.

Rechtsanwältin Dr. Sandra Wagner von der Berliner Kanzlei HERTIN & Partner ist unsere Rechtsratgeberin in Sachen Urheber- und Medienrecht. Die viel beschäftigte Anwältin nimmt sich neben ihren Anwaltspflichten nicht nur Zeit für unseren DOCKBLOG, sondern ist zudem als Dozentin an der Universität der Künste in Berlin tätig.

Falls Ihr detaillierten Rechtsbeistand von erfahrenen Rechts- und Patentanwälten benötigt, wendet euch gerne direkt an die Kanzlei:

HERTIN & Partner PartG mbB, Rechts- und Patentanwälte

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Fax: +49 30 885929-29

______________________________________________

¹BGH, Urt. v. 27.04.2017, I ZR 247/15 – AIDA Kussmund

²BGH, Urt. v. 05.06.2003, I ZR 192/00 - Hundertwasserhaus

³OLG Köln, Urt. v. 09.03.2012 – 6 U 193/11

 (4) § 59 UrhG 

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