Der Begriff Employer Branding ist irreführend
Employer Branding ist für Agenturen als Leistung für Unternehmen interessant sowie als Instrument, selbst Talente zu rekrutieren. Ein Interview mit Alexander Haase von Designerdock über das warum, wie und wo.
Als Geschäftsführer und Inhaber der Personalberatung Designerdock Frankfurt hat Alexander Haase einen guten Überblick über den Arbeitsmarkt in der Kreativbranche. Wir fragten ihn, wie Agenturen und Unternehmen am besten kreative Talente für sich gewinnen können.
Sonderfall: Employer Branding für Kreative
Muss man Kreative anders ansprechen als andere Arbeitnehmer*innen?
Alexander Haase: Ja, aus dem Blickwinkel des Employer Brandings betrachtet sind Kreative eine spezielle Zielgruppe. Für sie ist zumeist das kreative Produkt des potenziellen Arbeitgebers entscheidend. Wenn der Output einer Agentur oder eines Unternehmens nicht kreativ ist, dann hilft auch das kreativste Employer Branding nichts, wenn man gute Gestalter*innen sucht.
Und was ist mit dem viel beschworenen Purpose? Mit flexiblen Arbeitszeiten und gutem Gehalt?
Das Gesamtpaket entscheidet. Generell ist Purpose meiner Erfahrung nach etwas weniger wichtig als in anderen Bereichen, weil kreative Arbeit an sich sinnstiftend ist. Wenn man etwas schafft und damit zufrieden ist, dann ist das intrinsisch belohnend. Ist das nicht gegeben und der kreative Benchmark sehr niedrig, dann braucht es andere Motivatoren. Es gibt aber durchaus den Wunsch – nicht nur bei jüngeren Kandidat*innen –, nicht nur seelenlose Jobs zu machen, sondern mit der eigenen Kreativität auch soziale und nachhaltige Projekte zu fördern.
Gehalt und Arbeitsbedingungen spielen natürlich auch eine Rolle. Niemand will mehr in so einem Hamsterrad arbeiten, wie es Agenturen lange gewesen sind. Aber hier findet grundsätzlich ein Umdenken statt.
Employer Branding: Mehr Schein als Sein?
Ein Problem bei Employer Branding ist, dass viel versprochen wird, was nicht der Realität entspricht.
Meines Erachtens ist der Begriff Employer Branding irreführend. Wichtiger als »Branding« sind doch die Employee und Candidate Experience, also das reale Erlebnis, das jemand mit dem Arbeitgeber hat. Das fängt bei der Website an, die oft der erste Touchpoint ist. Wenn unsere Kandidat*innen einen Arbeitgeber nicht kennen, googeln sie ihn und schauen sich den Webauftritt an. Ist dieser nicht up to date, visuell abschreckend oder bildet im Falle von Agenturen das kreative Produkt nicht gut ab, dann ist der erste Eindruck schon mal schlecht. Da kann ich als Personalberater zur Not noch etwas nachhelfen und korrigieren. Später hilft aber auch die beste Website wenig, wenn man sich im Vorstellungsgespräch fühlt wie in einem Verhör.
Oder die Arbeitssituation im Unternehmen dann eine ganz andere ist.
Genau. Wenn zum Beispiel im Vorstellungsgespräch versprochen wurde, dass man kreativ das ganz große Rad drehen wolle, und dann alles 08/15-Kreation ist. Wenn die Diskrepanz zwischen Employer Branding und der Realität im Unternehmen zu groß ist, führt das schnell zu Frustration – und das spricht sich herum.
Wie verhindert man das als Arbeitgeber?
Indem man ehrlich ist. Schönreden bringt nichts. Wenn eine Agentur nur kleine Kunden und Projekte hat, nützt es nichts, die auf der Website zu weltbewegenden Cases hochzujazzen. Gutes Employer Branding hat auch damit zu tun, dass man sich ehrlich anschaut, was die eigenen Stärken – und Schwächen! – sind. Eine Agentur, die auf technisch getriebene B2B-Kunden spezialisiert ist, sollte nicht den Eindruck erwecken wollen, große Consumerkampagnen zu machen. Das wäre nicht nur unglaubwürdig, sondern auch unnötig und falsch. Denn damit ziehen sie ja nicht die Leute an, die sie wirklich brauchen: technisch interessierte Kreative, die es ja durchaus gibt.
Employer Branding: Welche Kanäle funktionieren?
Was sind neben der Website andere wichtige Kanäle für Arbeitgeber?
Man sollte sich unbedingt fragen, welche Kanäle man authentisch und glaubwürdig bedienen kann. Mein Eindruck ist zwar, dass neben der Website alle anderen Kanäle etwas verblassen. Aber natürlich kann es auch Einfluss haben, was ein Arbeitgeber zum Beispiel auf LinkedIn macht. Das kann allerdings schnell kontraproduktiv sein, weil Gestalter*innen nun mal sehr kritisch sind, was Content angeht. Wenn etwa ein von Grund auf konservatives Unternehmen die Gen Z auf TikTok ansprechen will, geht das schnell schief. Wobei man sagen muss, dass vor allem die Gen Z viel zu stark verallgemeinert wird. Aus meinen Gesprächen mit Kandidat*innen weiß ich, dass diese Gruppe viel heterogener ist, als sie oft dargestellt wird.
Welche Rolle spielen Bewertungsportale wie kununu?
Wir hören oft von Kandidat*innen, dass sie sich die Bewertungen dort angeschaut haben. Ich rate aber immer dazu, diese Portale nicht überzubewerten. Ich habe schon erlebt, wie ein einzelner gekündigter Mitarbeiter über Jahre hinweg einen wahren kununu-Feldzug gegen einen Arbeitgeber geführt hat. Wenn allerdings viele schlechte Bewertungen zusammenkommen, kann das natürlich ein Indikator sein, dass da etwas nicht stimmt.
Gibt es eine Art Qualitätskontrolle bei den Jobs, die ihr vermittelt?
Ja, wir kuratieren die Angebote. Mit vielen unserer Kunden arbeiten wir schon lange zusammen und kennen die jeweilige Unternehmenskultur gut. So können wir Kandidat*innen bei der Wahl des richtigen Arbeitgebers gut beraten. Wir können aber natürlich nicht alles garantieren. Manchmal passt es einfach nicht, das ist ja normal.
Employer Branding: Transparenz zählt!
Wir haben viel über Agenturen gesprochen. Wie können denn Unternehmen Kreative ansprechen?
Für Unternehmen ist es natürlich schwieriger, mit dem kreativen Produkt zu werben. Aber viele Kreative sind durchaus daran interessiert, mal auf Kundenseite zu arbeiten. Auch hier ist es im Employer Branding wichtig, ehrlich zu sein – besonders was die Arbeitsweise angeht. Viele Unternehmen werben damit, dass sie Special Units und Creative Labs haben, in denen ganz agil gearbeitet werde – wenn sich Ideen und Konzepte dann aber über Monate in Gremien totlaufen oder verwässert werden, ist das ein ziemlicher Kulturschock für Kreative.
Da sollte man lieber gleich ehrlich kommunizieren, dass die Arbeitsweise in Konzernen eben anders ist als in Agenturen – und andere Vorteile in den Vordergrund stellen. Es gibt zum Beispiel genug Kreative, die sich durch mehr Sicherheiten und Corporate Benefits angesprochen fühlen.
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