Die Gründerinnen vom Ad Girls Club im Interview
Wie kamt ihr zur Werbung?
Isabel: Eher durch Zufall. Eigentlich war ich schon an einer Journalist*innenschule angemeldet um Sportjournalistin oder Kriegsreporterin zu werden. Dann hab ich gleichzeitig von der Texterschmiede (Hamburg School of Ideas) erfahren und mich spontan umentschieden. Nach einem Jahr an der Texterschmiede, merkte ich, dass mir “nur” schreiben nicht reicht und Konzeption mein eigentliches Talent ist. In den letzten 12 Jahren habe ich diese Entscheidung auch nur selten bereut.
Lisa: In meinem Bachelor habe ich schnell gemerkt, dass Marketing und Kommunikation für mich der interessanteste Teil des Studiums war. Deswegen habe ich dann auch meinen Master in Marketing gemacht. Anschließend habe ich an meiner Hochschule als wissenschaftlich Mitarbeiterin gearbeitet und neue Lehr- und Lernmethoden entwickelt. Ganz glücklich war ich damit nicht, ich wollte aber lieber an großen Kampagnen mitwirken. Also habe mich einfach bei ein paar Agenturen beworben. So kam ich in die Werbung und nach Berlin.
Welche Formen nimmt Sexismus in der Werbebranche an?
Sexismus ist ja grundsätzlich ein gesamtgesellschaftliches Problem. So gibt es in der Branche leider natürlich auch Alltagssexismus wie z.B. sexistische Sprüche. Gleichzeitig hat die Branche aber auch ein eklatantes Problem in den Strukturen. Zusätzlich ist zu beachten, dass wir als Werbende auch einen besonderen Einfluss auf die Gesellschaft haben und in unserer Werbung leider noch immer sehr viel Sexismus und stereotypische Klischees reproduzieren.
Wie verhält sich die Werbebranche im Vergleich zu anderen Branchen?
Das können wir schwer beurteilen, da wir natürlich nicht in allen Branchen gearbeitet haben. Wir vermuten aber, dass der lockere Umgang in den Agenturen und die langen Arbeitszeiten gepaart mit ein paar Bierchen doch öfters zu Grenzüberschreitungen führt. Gleichzeitig ist die Frauenquote in Führungspositionen in der Werbung extrem niedrig obwohl fast 60% aller Mitarbeitenden Frauen sind. Die gläserne Decke ist also klar ersichtlich – genau wie die Gender-Pay-Gap.
Wie sieht eure Arbeit als AGC konkret im Tagesgeschäft aus?
Jeden Tag unterschiedlich. Wir beide arbeiten ja gleichzeitig noch in Werbeagenturen. Isabel in Festanstellung und Lisa als Freelancerin. Meistens schieben wir AGC Themen also in die Mittagspause, den Feierabend oder die Wochenenden.
Wird eure Arbeit vergütet?
Einerseits verdienen wir ein bisschen was durch Vorträge oder Schulungen, andererseits zahlen Agenturen, die das Ad Girls Club Manifest unterzeichnet haben, eine Aufnahmegebühr und einen Jahresbeitrag.
Wie nehmt ihr neue Agenturen als Unterzeichnende auf?
Wir starten immer mit einem Chemistry Meeting. In einem ca. einstündigen Termin stellen wir unser Manifest vor und klären erste Fragen. Gleichzeitig überprüfen wir im Gespräch, ob die Werte der Agentur grundsätzlich zu unserem Manifest passen. Anschließend erhalten wir von jeder Agentur ein Excel-Sheet mit den aktuellen Zahlen und Fakten z.B. der aktuellen Frauenquote und eine Auflistung aller bisherigen Bemühungen für mehr Gleichstellung und Gleichberechtigung.
Nach der Prüfung dieser Daten folgt ein weiteres Gespräch und eine Zu- oder Absage. Wobei eine Absage kein „Nein“ für immer ist, sondern für den Moment. Wenn die Agentur die Punkte, die bei uns zur Ablehnung geführt haben, behoben hat, freuen wir uns natürlich, wenn sie sich wieder melden. Ganz wichtig: Das Manifest darf nicht der erste Schritt beim Thema Gleichberechtigung sein und wir erwarten eine klare Haltung.
Wie arbeitet ihr mit den Agenturen, nachdem sie unterzeichnet haben?
Einer der größten Vorteile unseres Manifestes ist, dass wir alle Mitgliedsagenturen zusammen an einen Tisch bringen. So machen wir quartalsweise ein Netzwerktreffen bei dem alle Agenturen digital zuschalten und wir gemeinsam über unterschiedliche Themen und Herausforderungen der Branche sprechen. Jedes Treffen steht unter einem gewissen Thema. Letztes Mal z.B. unsere Umfrageergebnisse und davor "Teilzeit und Karriere". Ziel des Treffens ist es, dass sich Agenturen möglichst gegenseitig helfen, die Branche zu verbessern. Das geht nicht gegen- sondern nur miteinander. Darüber hinaus sind wir mit vielen Agenturen regelmäßig im Kontakt. So werden wir oft nach unserer Meinung oder einer Beratung gefragt.
Sind eure Ansprechpartner*innen in den Agenturen divers? (Oder weiße Männer?)
Unsere Ansprechpartner*innen sind tatsächlich sehr divers. Das ist aber nicht nur positiv zu betrachten sondern bedeutet auch, dass Betroffene noch immer selber dafür kämpfen müssen, dass sich die Branche ändert. Gegen ein paar mehr weiße alte Männer die sich mit Herzblut für Gleichstellung und Gleichberechtigung einsetzen hätten wir also nichts.
Bekommt ihr Zugang zu den MItarbeiter*innen? Steht ihr mit ihnen im Austausch?
Wenn eine Agentur in der Vergangenheit z.B. durch Erfahrungsberichte von Mitarbeitenden negativ aufgefallen ist, führen wir im Unternehmen vor der Aufnahme auf dem Manifest eine Umfrage durch. Sonst stehen wir mit den Mitarbeitenden nicht im regelmäßigen Austausch, sind aber z.B. wenn es Probleme gibt Ansprechspartner*innen.
Hat die Werbe- und Kommunikationsbranche einen besonderen Auftrag für gesellschaftliche Veränderung, weil sie das Skillset für Kommunikationsthemen mitbringt?
Klar. Die Branche kann den eigenen Einfluss natürlich dafür nutzen, einen positiven Impact auf die Gesellschaft zu haben. Zum Beispiel durch Gendersensible Sprache, Repräsentation von marginalisierten Gruppen oder Aufklärungsarbeit. Trotzdem ist es noch immer Reklame.
Was versprecht ihr euch von der Quote als Instrument?
Endlich eine faire Ausgangslage für alle. Aktuell haben wir ja eine extrem hohe Männerquote in den Chefetagen der Agenturen. Mit einer Frauenquote wird also nur das ausgeglichen, was die Agenturen bis jetzt nicht hinbekommen haben: Menschen unabhängig vom Geschlecht zu fördern und befördern.
Seht ihr euch als Aktivist*innen?
Ja. Aber auch als Expertinnen.
Wie geht ihr mit Intersektionalität um? Wie setzt ihr intersektionale Ansätze in eurer Arbeit ein?
Auch wenn wir selber zwei weiße hetero cis Frauen sind, ist es uns total wichtig, Intersektional zu denken und immer wieder andere Perspektiven einzuholen. Trotzdem können wir nicht für andere marginalisierte Gruppen sprechen – und würden dies auch nie tun. Wir versuchen also, die Perspektiven in unsere Arbeit einfließen zu lassen und geben unsere Bühne und Reichweite dann ab, wenn unsere Stimmen bzw. Meinungen einfach irrelevant sind.
Wie seht ihr die Situation von Menschen, die nicht cis sind? Tretet ihr auch für non-binäre Personen ein?
Natürlich! Das Ad Girls Club kämpft für alle, die vom Patriarchat diskriminiert werden. Und sind Allies.
Welche anderen Aktionen bräuchte es in der Werbewelt?
Wir wünschen uns ja sehr, dass es noch weitere Initiativen z.B. für andere marginalisierte Gruppen gäbe. Eben gerade für mehr Perspektiven.
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