©pic by Ogilvy Germany

Die kreativen Dauerläufer

Dr. Stephan Vogel, EMEA-Kreativchef bei Ogilvy, im Gespräch mit DESIGNERDOCK über 30 Jahre an der Spitze der Kreativrankings

 

DESIGNERDOCK: Herzlichen Glückwunsch zum 6. Platz für Ogilvy im 30-Jahres-Kreativranking der Horizont! Wie schafft man es, so lange ganz oben mitzuspielen?

 

Stephan Vogel: Vielen Dank. Wenn man sich die Einzelrankings aus den Jahren 1993, 2003, 2013 und jetzt 2023 anschaut, sieht man tatsächlich, dass sich sehr viel verändert hat. Eine Agentur wie Springer & Jacoby zum Beispiel war lange Zeit immer auf den Top-Positionen, heute gibt es sie gar nicht mehr. Umgekehrt war Serviceplan vor 30 Jahren noch nicht wirklich präsent, dafür heute umso mehr. Ich bin schon ein bisschen stolz, dass wir es geschafft haben, die ganzen Jahre eigentlich immer unter den Top 10 zu sein, oft auch unter den Top 5. Wir haben auch nie ein Jahr ausgesetzt wie zum Beispiel Jung von Matt.

 

DESIGNERDOCK: Was ist das Erfolgsgeheimnis?

 

Stephan Vogel: Die Agentur hat sich im Laufe der Jahre natürlich sehr gewandelt, aber unser Anspruch an die kreative Qualität ist immer der gleiche geblieben. Und wir haben damals wie heute Leute an Bord, die Spaß daran haben, tolle Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Und die auch den entsprechenden Sportsgeist mitbringen, den man für Wettbewerbe braucht – gerade heute. Früher haben wenige hundert Punkte bereits für die Spitzenpositionen im Ranking gereicht, heute benötigt man über 1000.

 

DESIGNERDOCK: Ist dieser hohe Anspruch für das Team nicht auch eine Belastung? Award-Arbeiten entstehen ja oft zusätzlich zum Tagesgeschäft.

 

Stephan Vogel: Früher waren Awards tatsächlich oft vom Tagesgeschäft abgekoppelt. Das war gewissermaßen eine Spielwiese für Kreative. Die Kunden haben sich damals oft nicht dafür interessiert, denen ging es oft mehr um Strukturen und Planungssicherheit als um Kreativität. Hier hat sich aber grundlegend gewandelt, da inzwischen auch viele CMOs begriffen haben, dass sich mit einer guten Idee und einem sehr überschaubaren Investment millionenschwere Media-Gegenwerte schaffen lassen. Der Moldy Whopper von Burger King mit über 9 Mrd. Impressions ist so ein Beispiel. Aber im kleineren Rahmen natürlich auch unsere Kampagnen „Escape“ und „Spar dir den Flug“ für die Deutsche Bahn, die als nationale Brand damit international abräumen konnte. Die sind ja wirklich gelaufen, von einem Gegensatz zwischen Award und „echtem“ Business kann also nicht mehr die Rede sein. Die großen Kunden haben inzwischen alle kreative Exzellenz auf der Agenda, selbst richtig „konservative“.

 

DESIGNERDOCK: Was zeichnet denn Kreative aus, die diese Exzellenz mitbringen?

 

Stephan Vogel: Zunächst einmal strategisches Grundverständnis von Marken. Man muss verstehen, dass eine Marke wie zum Beispiel Milka für bestimmte Eigenschaften steht, Empathie etwa. Dann ist Neugier extrem wichtig, die Fähigkeit in die Marke und ihre Geschichte einzutauchen und nach Nuggets zu suchen, aus denen man etwas machen kann. So entdeckt man dann zum Beispiel, dass es Schokolade früher nur in Apotheken zu kaufen gab und Philippe Suchard, der Milka-Gründer, diese für seine kranke Mutter dort gekauft hat. Das hat ihn motiviert, Schokolade für viele Menschen verfügbar und erschwinglich zu machen.

 

DESIGNERDOCK: …beides keine Skills, an die man bei Kreativen zuerst denkt…

 

Stephan Vogel: Das kreative Talent zeigt sich ja darin, aus diesen Grundvoraussetzungen etwas zu schaffen, das für die Marke arbeitet. Etwas visuell Ikonisches zum Beispiel. Etwas, das einen bleibenden Wert hat. Und ganz wichtig sind auch noch Hartnäckigkeit und Frustrationstoleranz: wir haben gerade für die Biermarke Castle Lager in Südafrika etwas gemacht, das von der Idee bis zur Umsetzung fast acht Jahre gebraucht hat, „Bread of the Nation“. Das ist Brot, das aus den Braurückständen gebacken wird, die früher aufwändig entsorgt werden mussten. Die Verwirklichung einer solchen Idee hängt natürlich von ganz vielen Faktoren ab, technische und rechtliche. Der Kunde war von Anfang an begeistert, hat aber immer abgewunken, weil die Umsetzung zu aufwändig schien. Die Kreativen haben aber einfach nie aufgegeben.

 

DESIGNERDOCK: Wie findet Ogilvy solche Kreativen?

 

Stephan Vogel: Ich würde das anders formulieren: Was müssen Agenturen bieten, um die besten, die ehrgeizigsten Kreativen zu gewinnen? Die wirklich guten Leute werden sich immer ein Umfeld suchen, in dem sie ihre Ideen umsetzen können, wo sie die Chance bekommen sich zu entfalten.

 

DESIGNERDOCK: Ist KI eine Gefahr für diese besondere kreative Kultur?

 

Stephan Vogel: Das werden wir sehen. Es lassen sich auf jeden Fall tolle Sachen mit KI machen. Einer unserer KI-Experten hat mal ein ganzes Rap-Video mithilfe von verschiedenen KI-Modellen produziert. Ein Programm hat den Text geschrieben, ein zweites hat die Musik komponiert, ein drittes hat sie dann mit den Stimmen von Snoop Dogg und Kendrick Lamar eingespielt und ein viertes hat das Video dazu erstellt. Alles an einem Nachmittag. Ich sehe KI auf jeden Fall als ein Tool, mit dem sich wunderbar experimentieren lässt.

 

DESIGNERDOCK: Würdest Du denn jemandem, der heute 18 oder 19 ist und überlegt, Kreativer zu werden, zu dieser Karriere raten?

 

Stephan Vogel: Aber unbedingt! Als Kreativer hast du alle Freiheiten, das zu machen, was du möchtest und was deine Fantasie hergibt. Wofür ich in der Schule blaue Briefe bekommen habe, bekomme ich heute gutes Geld und reise um die Welt. Das bereitet mir auch nach fast 40 Jahren im Beruf noch jeden Tag diebische Freude.

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