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Dockblog - Die Arbeitswelt der Kreativen

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Endlich Chefin. Wie die demografische Entwicklung die Rolle der Frauen am Arbeitsmarkt stärken könnte

Wie steht es zur Zeit um die Gleichberechtigung am Arbeitsplatz? Und warum könnte ausgerechnet der demografische Wandel die Arbeitsbiografien von Frauen positiv beeinflussen? Mit diesen Fragen hat sich Kristin Louis, Geschäftsführerin vom Designerdock-Standort in Berlin, beschäftigt.

Während die Männer im Weltall unterwegs sind oder mit Prothesen Rekorde aufstellen, fährt die Kamera kurz über eine schlafende Frau und verharrt am Ende auf einer jungen Mutter, die auf einer Bank sitzt. Großes unter schwierigen Umständen gelingt in dem Werbespot eines Automobilherstellers scheinbar nur den Männern. Das fanden mehrere Zuschauer*innen problematisch und beschwerten sich bei der englischen Werbeaufsichtsbehörde. Diese entschied: Der Spot darf so nicht länger gezeigt werden. Alles halb so schlimm möchte manch eine*r milde sagen. Doch seit Debatten wie #MeToo werden Stereotype und Machtverhältnisse, die der Gleichberechtigung im Wege stehen, aufmerksamer beäugt und stärker kritisiert.

Die amerikanische Wissenschaftlerin Leanne Atwater hat jüngst mit einer Studie die Folgen der MeToo-Debatte erforscht. Sie fand heraus, dass es Frauen (und Männern) seither leichter fällt, sich zu wehren oder unangebrachtes Verhalten anzusprechen. Leider befürchtet die Psychologin gleichzeitig, dass sich die Situation am amerikanischen Arbeitsmarkt für Frauen verschlechtert hat. Viele Männer gaben an, nun lieber nicht mehr mit Frauen arbeiten zu wollen. So könnten sie nicht eines etwaigen Fehlverhaltens beschuldigt werden. Ob es sich dabei um eine vorübergehende Reaktion auf die Debatte handelt oder Frauen tatsächlich dauerhaft ausgegrenzt werden, will die Wissenschaftlerin im kommenden Jahr untersuchen.

Wo Frauen stehen

In den letzten 150 Jahren Frauenbewegung wurden politische Rechte, gesellschaftliche Teilhabe und sexuelle wie reproduktive Freiheiten erkämpft. Und dennoch sind wir noch nicht dort, wo wir sein sollten. Wie Studien immer wieder belegen, fallen Familie und Haushalt noch immer mehrheitlich in das Ressort (berufstätiger) Frauen. Noch immer sind es häufig die Frauen, die mit dem ersten Kind beruflich zurückstecken. Vor allem bei alleinerziehenden Frauen und im Alter mit der Rente, macht sich dies finanziell auf dramatische Weise bemerkbar, wie eine neue Studie der Universität Mannheim und der niederländischen Tilburg University zeigt. Zudem sind Frauen sehr viel häufiger als Männer in Teilzeit oder im Niedriglohnsektor tätig. In Schlüsselpositionen sind Frauen hingegen unterrepräsentiert. Weniger als 30% aller Führungskräfte in Deutschland sind weiblich. 

Die noch unausgeglichene Realität schlägt sich auch in der Welt der Werbung, des Films und Fernsehens nieder. In der Werbung kommen Frauen in Führungspositionen so gut wie gar nicht vor. Dass in Film und Fernsehen im Schnitt weniger Frauen als Männer zu sehen sind, hat eine Studie des Instituts für Medienforschung der Universität Rostock herausgefunden. Natürlich werden Frauen hier längst nicht mehr als Heimchen am Herd gezeigt, dennoch sind sie zum Beispiel seltener als Männer in wissenschaftlichen Kontexten oder in Rollen zu sehen, die die Handlung vorantreiben. Selbst in der neuen Bauhaus-Serie, die sich vorgenommen hat, die Frauen am Bauhaus bekannter zu machen, wird der jungen Künstlerin Dörte Helm eine Liebesaffäre mit dem Direktor Walter Gropius angedichtet. Hinter der Kamera haben es Frauen als Regisseurinnen, Drehbuchautorinnen und Produzentinnen oft noch schwerer. 

So spiegeln Film und Fernsehen unsere Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit wider, reproduzieren und prägen sie. Und wo Frauen – in der Realität wie in der Fiktion –als Vorbilder fehlen, fällt es anderen Frauen schwerer, ihren Platz zu beanspruchen. Wie das Beratungsunternehmen Bain & Company in den USA vor ein paar Jahren herausgefunden hat, ist es nicht der berufliche Ehrgeiz, der die Karrieren von Frauen hemmt. Auf ihrem Weg in die Führungsetagen entmutigen sie vielmehr männliche Rollenvorstellungen und mangelnde Unterstützung von Vorgesetzten. 

Gefragte Frauen – Wie die Demografie helfen kann

Den Verlauf von Arbeitsbiografien könnte nun nicht allein die nächste Frauenbewegung, sondern der demografische Wandel positiv beeinflussen. In einem Interview mit dem Spiegel weist der Demograf Nicholas Gailey, der sich mit der Bevölkerungsentwicklung in Europa beschäftigt, auf die immer noch vernachlässigte Rolle von Frauen am Arbeitsmarkt hin. Je älter unsere Gesellschaft wird, umso weniger Menschen gibt es im arbeitsfähigen Alter. Auf einhundert Erwerbstätige kommen schon heute 108 Kinder und Senioren. Ändert sich nichts, müssten im Jahr 2060 einhundert Arbeitnehmer*innen 133 Menschen versorgen, erklärt der Demograf.

Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und die sozialen Sicherungssysteme zu erhalten, müsse vor allem die Arbeitskraft von Frauen gesteigert werden, sagt er. Im Jahr 2017 waren 74% aller Frauen zwischen 15 und 65 Jahren erwerbstätig oder auf der Suche nach einem Job. Da ist tatsächlich noch Luft nach oben.

Folgt man der Prognose, werden in Zukunft die Gesellschaft und die Unternehmen selbst ein stärkeres Interesse daran haben, den Anteil an erwerbstätigen Frauen zu erhöhen, Frauen im Job zu fördern und Aufstiegschancen zu erleichtern. Unterstützend kommt hinzu, dass sich durch New Work neben den Arbeitsbedingungen auch die Vorstellungen ändern, was eine gute Führungskraft ausmacht. Die meisten Attribute, die wir bisher mit der Position des Chefs assoziieren, halten wir für typisch männlich. Das hat die amerikanische Professorin Alice Eagly herausgefunden. Mit dem Rollenwechsel von Führungskräften sind jedoch mehr und mehr Kompetenzen gefragt, die traditionell noch eher Frauen anerzogen bzw. mit ihnen verbunden werden. Dieser Wandel in der Arbeitswelt könnte Frauen zusätzlich Türen zu den Schlüsselpositionen öffnen.

Starke, gleichberechtigte Positionen von Frauen in der Gesellschaft, in der Kultur und in der Wirtschaft kämen, nur nebenbei gesagt, auch den Männern zugute. Wie sich in diesem Jahr zeigte, identifizieren sich viele Männer längst nicht mehr mit den alten Rollenzuschreibungen. Über den Werbespot eines großen Lebensmittelhändlers zum Muttertag, in dem Väter in allen gezeigten Situationen versagen und an dessen Ende sich das Kind bei der Mutter bedankt, dass sie nicht der Vater ist, konnten viele Männer nicht lachen. 

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