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Dockblog - Die Arbeitswelt der Kreativen

©pic by Ad Girls Club

„Die Werbung ist weiblich!”

DESIGNERDOCK: Das Manifest des Ad Girls Club für eine Werbebranche ohne Sexismus gibt es seit 2021, viele Agenturen haben es seitdem als Unterstützer unterschrieben. Hat sich die Werbewelt dadurch verändert?

 

Isabel Gabor: Teils, teils. Es gibt Agenturen, die sich richtig viel Mühe mit dem Thema geben, die Zeit und auch Geld investiert haben. Das sind wichtige Schritte. Aber wenn man sich die Werbebranche als Ganzes ansieht, merkt man schnell, dass diese Schritte vielleicht nicht groß genug waren, um sagen zu können: die Branche ist insgesamt besser geworden.

 

Gibt es denn zumindest ein anderes Problembewusstsein als früher?

 

Auch hier: Teils, teils. Wir selbst wollen ja nicht missionieren, das geht uns total gegen den Strich. Die Agenturen müssen selber entscheiden, ob sie Unterstützung von außen brauchen. Und da gibt es schon einige, die auf uns zukommen: Manche fragen ganz allgemein, wie man mit dem Thema Sexismus umgehen kann. Anderen geht es ganz konkret darum, wie man zum Beispiel den Frauenanteil in der Geschäftsführung erhöhen kann. Und natürlich geht es auch darum, was man tun kann bei Sexismusvorfällen in der Agentur. Aber es gibt auch nach wie vor Agenturen, die einen großen Bogen um die ganzen Themen machen.

 

Eine Kritik in der Vergangenheit war ja, dass sich viele Agenturen nicht dem Me too-Problem stellen wollen. Hat sich hier etwas verändert?

 

Wenn man das Problem anerkennt, dann bedeutet das ja auch automatisch, sich selber zu hinterfragen. Die Menschen zu hinterfragen, mit denen man arbeitet und zu hinterfragen, was man als Unternehmen bisher falsch gemacht hat. Das ist sicherlich unangenehm, aber unglaublich wichtig. Denn wo Menschen zusammenarbeiten, kann es eben leider auch zu Sexismus, Rassismus und so weiter kommen. Das kann überall passieren. Was Agenturen unterscheidet, ist die Art und Weise, wie sie damit umgehen. Wen sie schützen. Betroffene oder Verursachende? Und natürlich, ob sie dann auch aus dem Vorfall lernen und sich mit Hilfe einer externen Beratung hinterfragen. Offen sind, Blindspots aufzudecken.

 

Wie steht es um das Thema Gender-Pay-Gap?

 

Ungleiche und ungerechte Bezahlung ist nach wie vor ein Thema. Und betrifft nach wie vor hauptsächlich Frauen. Das wird gerne salopp damit erklärt, dass Frauen angeblich seltener nach Lohnerhöhungen fragen würden oder Männer besser verhandeln könnten. Aber aus meiner Sicht darf die Bezahlung nicht vom individuellen Verhandlungsgeschick abhängen. Die Lösung ist hier ganz klar Transparenz. Klar und offen kommunizierte Gehaltsspannen, innerhalb derer dann individuelle Lösungen ausgehandelt werden können. Und das funktioniert, es gibt genug Beispiele für Agenturen, die die Gehälter aller Mitarbeitenden durchgegangen sind, um herauszufinden: Wo sind Abweichungen, wo müssen wir anpassen? Von Equal Pay profitieren auf diese Weise letztlich alle, es gibt schließlich auch unterbezahlte Männer.

 

Ist unsere Karriere-Kultur männlich geprägt? Manche Frauen sagen ja: Ich würde gerne Karriere machen – aber eben nicht nach diesen Regeln.

 

Wenn mir jemand mit dem alten Klischee kommt, dass Frauen keine Karriere machen wollen, antworte ich immer: die Frauen wollen in dem Umfeld, in dem sie sich gerade befinden, keine Karriere machen. Das ist ein Unterschied. Ich hatte das große Glück, dass ich Chefs hatte, die mich gefördert haben, die mir gesagt haben: Wir finden gut, was Du machst. Du kannst das! Aber ich kenne so wenige Frauen, die das gesagt bekommen.

 

Was müsste sich ändern?

 

Das Problem fängt schon damit an, dass es in den meisten Firmen keine oder nur wenige weiblich gelesene Personen in Führungspositionen gibt, sprich: keine Vorbilder. Wenn Frauen dann doch mal aufsteigen, sind sie meistens von Männern umgeben und müssen noch härter arbeiten, sich noch härter durchboxen, um ernst genommen zu werden. Zum Dank kriegen sie dann oft noch so ein Label verpasst: die „grantige Alte aus der Geschäftsführung“ oder so etwas. Klar, dass viele darauf keine Lust haben.

 

Wir als Personalberater erleben, dass Frauen mitunter eher zögern als Männer, wenn ihnen eine höhere Position angeboten wird.

 

Frauen wird von klein auf antrainiert, nicht aufmüpfig zu sein, nicht zu frech zu sein. Deshalb haben sie öfter Selbstzweifel und fragen sich: Bin ich schon bereit für die Führungsrolle – oder ist das jetzt zu fordernd? Darf ich wirklich so viel Geld verlangen? Hier muss die Gesellschaft insgesamt früher ansetzen. Und natürlich hilft auch eine Frauenquote. Ich selbst fand die Quote ganz früher immer total beschissen und wollte auf keinen Fall Quotenfrau sein. Aber ich glaube inzwischen, es geht nicht anders. Um das zu erklären, drehe ich das ganze gerne mal um: Bisher gab es einfach immer eine Männerquote, Männer wurden stets bevorzugt behandelt. Die Frauenquote ist also eigentlich eine Gleichheitsquote. Wir wollen nichts geschenkt.

 

Ist die Werbung in diesem Punkt anders als andere Branchen?

 

Die Werbung ist eigentlich eine weiblich geprägte Branche: 60% der Mitarbeitenden sind weiblich gelesene Personen. Trotzdem sind die Geschäftsführungen nach wie vor eher männlich. Es gibt Branchen, in denen kaum Frauen arbeiten, IT etwa. Wenn da ein Unternehmen sagt, wir finden nicht genug Frauen für Führungspositionen, nehme ich denen das ab. Aber in der Werbung wären die Frauen ja da. Man müsste sie eben nur fragen und fördern.

 

Was würdest Du denn jungen Frauen raten, die heute überlegen in die Werbung zu gehen?

 

Sei selbstbewusst, kenn deinen Wert! Und wenn Du merkst, dass Du irgendwo schlecht behandelt wirst, dann geh woanders hin. Es gibt genug Jobs auf dem Markt. Ich liebe Werbung, wir machen alle unseren Job mit Herzblut. Aber es ist nur Reklame. Wir retten keine Menschenleben und z. B. Kreativität ist etwas, was vor allem durch Freude am Beruf entfacht wird. Und durch ein toxisches Umfeld erlischt.

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