Endlich wieder keinen Bock mehr
Haben wir den Spaß an der Arbeit verloren?
Bevor es die Generationen X, Y, Z und Alpha gab, gab es die Generation Null Bock. Das war Anfang der 80er Jahre, einer besonders kalten Phase des kalten Krieges, geprägt von zunehmendem Pessimismus, hoher Jugendarbeitslosigkeit und allgemeiner Unzufriedenheit, insbesondere unter Jüngeren. Die fanden, wie der „Spiegel“ schon 1981 schrieb, „alles irgendwie Scheiße“.
Jetzt ist Null Bock wieder zurück – und zwar in Form der Idee, dass Arbeitnehmer an Tagen, an denen die Motivation fehlt, frei nehmen können sollen. Das hat zumindest ein britisches Beratungsunternehmen vorgeschlagen und damit erwartungsgemäß eine Welle der Empörung ausgelöst, weil: So geht’s ja wohl nicht! Was soll denn aus der Volkswirtschaft werden, wenn jeder nur noch macht, auf was er oder sie Lust hat?
Dazu lässt sich zweierlei anmerken. Zum einen ist es natürlich so, dass man sich schon sehr wünscht, dass manche Arbeitnehmer möglichst immer Bock haben, Piloten und Notärzte etwa. Zum anderen gab es das Phänomen der spontanen Selbstbefreiung von den Pflichten der Arbeit schon immer, hieß aber anders. „Magenverstimmung“ zum Beispiel. Menschen sind nun mal keine Maschinen und mit gewissen Schwankungen in der Begeisterungsfähigkeit für den Job wird man leben müssen, KI hin, Roboter her.
Trotzdem stellt sich die Frage, ob sich hinter solchen vermeintlichen „Trends“ eine tiefere Entwicklung verbirgt: Hat sich unsere Einstellung zur Arbeit gewandelt? Und wenn ja: Liegt das an der Arbeit – oder an uns?
Home Office, Viertagewoche, flexible Arbeitszeiten, Workation: das sind alles zunächst einmal sehr erfreuliche Entwicklungen. Statt das Leben auf die Nischen zu beschränken, die die alles entscheidende Arbeit übriglässt, wird heute zunehmend versucht, Arbeit und Leben produktiv und kräfteschonend in Einklang zu bringen. Viele Unternehmen beweisen zudem nicht nur Offenheit, was Arbeitszeiten und -orte angeht, sie kümmern sich tatsächlich auch um das physische und psychische Wohlergehen ihrer Mitarbeiter oder versuchen dies zumindest.
Trotzdem scheint die Unzufriedenheit bei diesen überraschend hoch zu sein: einer aktuellen Studie der Krankenkasse Pronova zufolge haben 22% der deutschen Arbeitnehmer bereits „innerlich gekündigt“, ganze 45% machen lediglich „Dienst nach Vorschrift“ – ein Phänomen, das offensichtlich so verbreitet ist, dass es dafür einen Fachbegriff gibt, Quiet Quitting. Das Bundeswirtschaftsministerium hat in einer weiteren Studie sogar ermittelt, dass für fast zwei Drittel aller Fachkräfte in Deutschland ihre Arbeit „nur ein Job“ ist.
Weit oben auf der Liste der Gründe dafür: fehlende Wertschätzung, schlechtes Arbeitsklima und Überlastung. Für Unternehmen sind das keine guten Nachrichten, denn unzufriedene Mitarbeiter kündigen häufiger. Für die Mitarbeiterbindung ist also offensichtlich mehr notwendig, als die meisten Firmen bisher bieten. Aber auch die unzufriedenen Mitarbeiter, die bleiben, stellen Unternehmen vor Herausforderungen: sie sind deutlich unproduktiver – und können ihrerseits wiederum zur Verschlechterung des Arbeitsklimas beitragen. Schlechte Laune färbt ab. Sind Null-Bock-Tage am Ende vielleicht eine gute Lösung für alle?
Tatsächlich ist hier Skepsis angebracht. Das beste Mittel gegen Frust bei der Arbeit ist immer noch Arbeit, die Spaß macht. Nun ist es so, dass es selbst in Traumjobs mitunter doofe Tage gibt und gerade hochmotivierte und einsatzbereite Arbeitnehmer laufen oft Gefahr, Opfer ihres Idealismus zu werden und sich etwa in einen Burnout hineinzuarbeiten. Für Jobs aber, die permanent nur über- oder unterfordern, die keine Möglichkeit zur eigenen Entfaltung oder Entwicklung bieten, die einen mehr Kraft kosten als man in der Freizeit wieder auftanken kann – für diese Jobs sind Null-Bock-Tage keine wirkliche Lösung. Wer wirklich unzufrieden ist mit seiner Arbeit, für den kann es keine Lösung sein, statt 40 nur noch 20 Stunden in der Woche zu arbeiten, denn auch 20 Stunden sind dann einfach zu viel.
Bevor wir über vermeintlich unmotivierte Arbeitnehmer diskutieren, gibt es also für Unternehmen noch viel zu tun, aber eben auch für die Arbeitnehmer selbst: „Alles irgendwie scheiße“? Bis zu einem gewissen Grad hat das jeder selbst in der Hand: es lohnt sich, Zeit zu investieren und darüber nachzudenken, nach welchen Kriterien man eigentlich den „richtigen“ Job auswählt. Geld? Sicherheit? Oder doch eher sinnstiftend und erfüllend? Wie auch immer: einen Job zu haben, bei dem man keine Null-Bock-Tage braucht, ist auf jeden Fall die beste Lösung.
Kommentare (1)
Andreas
am 13.11.2024https://www.capital.de/karriere/warum-eine-firma-null-bock-tage-fuer-die-mitarbeiter-eingefuehrt-hat-35212880.html?utm_source=pocket-newtab-de-de