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©pic by Shutterstock/Giulio_Fornasar
Freelancen: Anpassung auch in krisenhaften Zeiten
Von Artdirektion über Copy bis hin zu Strategie, die unterschiedlichsten Gewerke tummeln sich als Selbstständige auf dem Markt. Allerdings ändern sich die Rahmenbedingungen gerade: neue Technologien wie KI, steigende Inflation und der überall beschworene Fachkräftemangel sowie eine unsichere wirtschaftliche Lage stellen. Können Freelancer am Markt weiter bestehen bleiben?
Freelancer machen derzeit unterschiedliche Erfahrungen
Grundsätzlich gibt es nicht die eine Erfahrung, die Freelancer machen. Es gibt zugleich Leute am Markt, die komplett ausgebucht sind und andere, die gerade eine Flaute durchmachen, trotz ihrer Seniorität. In der Selbstständigkeit hängt viel von den persönlichen Netzwerken und Bindungen, aber auch vom Gewerk ab. Es ist also schwer, allgemeine Aussagen über die Lage von Freelancern zu machen, aber eines ist klar: Die Rahmenbedingungen ändern sich gerade rasant. Brauchte eine Agentur oder ein Unternehmen vor ein paar Jahren noch eine qualifizierte Person mit einem Auge für Social-Media-Texte, kann das jetzt jede KI in Sekundenschnelle mit dem richtigen Prompt und sogar ohne Rechtschreibfehler.
Das heißt nicht, dass Textleistungen jetzt komplett überflüssig geworden sind. Aber die Jobs, in denen eher abgearbeitet wird, lassen sich einfacher auslagern. Dennoch ist die Frage berechtigt: Was biete ich eigentlich an? Was sind meine Produkte? Während in einer Agentur oder einem Unternehmen wechselnde Herausforderungen und Aufgaben zu Weiterbildungen oder Neueinstellungen führen, müssen sich Selbstständige das Wissen selbst aneignen.
Freelancen ist ein fluides Modell
Der Weg in die Selbstständigkeit ist keine Sackgasse. Wer sich beispielsweise wegen Familienplanung oder aus anderen Gründen dafür entscheidet, aus der Selbstständigkeit wieder in eine Festanstellung zu gehen, trifft damit keine Entscheidung für immer. Alexander Haase (Geschäftsführer Designerdock Frankfurt und Stuttgart), sagt dazu: „Die Altersstruktur der Freelancer gleicht einer U-Form: In den letzten Jahren arbeiten vermehrt viele junge Leute selbstständig. Dann kommt die Phase, in der man eine Familie gründet und die finanzielle Sicherheit einer Festanstellung vorzieht. Noch später hat man dann so viel Berufserfahrung und vielleicht auch finanzielle Reserven, dass Freelancing wieder attraktiver wird.“
Selbstständigkeit ist also kein Aggregatzustand, den wir hinter uns lassen und nie wieder erreichen können. Auch hybride Modelle sind möglich: Wer in einer Teilzeitstelle arbeitet und nebenbei in Nebentätigkeit eine Freelance-Karriere laufen hat, kann sich je nach Auftragslage und aktuellem Bedürfnis auch umorientieren. Gerade Menschen, die Beratungstätigkeiten nachgehen, haben oft noch nebenbei Kunden. Oder Designer, die auch für eigene Kunden arbeiten, während sie eine Festanstellung haben. Wer auf mehreren Beinen steht, steht fester.
Das gilt auch für die viel beschworene Scheinselbstständigkeit. Auch wenn es in manchen Branchen wie der IT durchaus üblich ist, dass Freelancer für längere Zeiträume durchgebucht werden und damit die Gefahr einer Scheinselbstständigkeit eingehen, ist eine Monokultur im Freelance-Netzwerk anfälliger für Veränderungen. Wer dagegen mehrere, kleine Projekt stemmt und zwischendurch auch mal einen größeren Auftrag annimmt, reagiert weniger akut, wenn ein Kunde wegfällt.
Preisgestaltung und Faustregeln für Freelancer
Um Monokultur zu vermeiden, braucht es ein wenig Netzwerkpflege. LinkedIn hat sich als Plattform bewährt, um mit professionellen in Kontakt zu bleiben. Ein Post zu aktuellen Debatten oder zur Verfügbarkeit kann hier nicht schaden. Aber auch wer nicht posten will, kann sich durch Kommentare oder Likes in Erinnerungen rufen. Ein bisschen Interaktion schadet hier nicht, ohne dass wir gleich alle zu Influencer oder Top Voices werden müssen.
Und dann sind da noch die Preise: Preise haben oft etwas von einer Geheimwissenschaft, aber es ist wichtig, dass sowohl die Menschen, die buchen, als auch die Menschen, die gebucht werden, offen über Preise sprechen. Durch die Transparenz wird klarer, wer wo steht und was gerade wo aufgerufen werden kann. In der Regel sind alle Menschen mit Berufserfahrung ohnehin auf einem ähnlichen Niveau unterwegs.
Und dann gibt es noch die bekannten Finanz-Faustregeln für Freelancer. Dazu gehören solche Tipps wie:
- immer ordentlich die Steuer bei Seite legen
- auf eine professionelle Buchhaltung achten
- ein Polster ansparen, mit dem man mindestens drei Monate Einkommen abdecken kann
- wer in der KSK ist, sollte immer versuchen, das Einkommen gut zu schätzen
Binsenweisheiten? Überhaupt nicht. Wenn es wirklich mal zum Verdienstausfall kommen sollte, dann tut das Polster gut. Wenn das Finanzamt die Einkommenssteuer eintreibt, dann sollte das auch keine Lücke ins Konto reißen, weil die Steuer schon auf einem Tagesgeldkonto abgelegt oder anderweitig zurückgelegt wurde. Wer seine Buchhaltung im Griff hat, spart auch Steuern, denn Ausgaben verringern die Steuerlast. Und wer schon mal von der KSK geprüft wurde, weiß, dass es wichtig ist, ordentlich zu schätzen.
Ein paar dieser Hinweise erfordern einen realistischen Umgang mit Ressourcen und mit dem Geld, was verdient wird. Dass das nicht immer leicht fällt, ist nur menschlich.
Haben Unternehmen Verantwortung für Freelancer?
Freelancer sind zwar rechtlich unabhängig, aber dennoch ein wichtiger Teil des kreativen Ökosystems in der Kommunikationsbranche. Sie bringen nicht nur Expertise, sondern auch wertvolle Außenperspektiven mit. Kaum jemand kennt so viele unterschiedliche Unternehmenskulturen und Kontexte wie eine Person, die beispielsweise in einer Woche für zwei Agenturen und ein Unternehmen arbeitet. Diese Vielfalt an Erfahrungen und der kreative frische Wind, den Freelancer in die Branche bringen, sind für Unternehmen wertvoll. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Freelancern bedeutet daher auch, ihre Rolle als strategische Partner anzuerkennen und nicht als kurzfristige Ressource zu behandeln. Freelancer gehören in den Mix - als gleichwertige Partner im kreativen Prozess. Wenn Freelancer länger am Markt bleiben, können sie diese Rolle auch langfristig übernehmen.
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