Generation Mindestlohn

Ja, sie war der Liebling der Medien: Sie begeisterte uns mit ihrer Motivation, ihrer Selbständigkeit und ihrer Flexibilität. Ihre Ideen brachten uns nach vorne, ihr Schwung versprach immerwährende Kreativität.

Und jetzt? Alles vorbei.

Bald wird sie uns verlassen, sie wird gehen, verschwinden. Die Generation Praktikum stirbt aus. Und so mancher weint ihr nach.

Ehrlich gesagt: Mir fällt der Abschied nicht schwer.

Der Mindestlohn schafft für die Kreativbranche neue Fakten. Ab dem Jahreswechsel gilt: 8,50 Euro auch für Praktikanten, die länger als drei Monate bleiben und kein Pflichtpraktikum absolvieren. Manche sehen darin eine Bedrohung für den Berufsstand. Manche haben Angst, das Angebot an Praktika könne schrumpfen. Und manche meinen, der Jobeinstieg könne so noch weiter erschwert werden.

Ist das der neue Jobkiller?
Sicher, es wird weniger Praktika geben, wenn Agenturen oder Medien sich diese nicht mehr leisten können. Aber: Wollen wir uns darüber wirklich beschweren? Missbrauch hat fast jeder erlebt, der in der Branche arbeitet. Endlos-Praktikaschleifen haben die Generation unsicher und mürbe gemacht. Ich selbst habe fünf Praktika unbezahlt absolviert, bei renommierten Adressen. Eine Vollzeitkraft als billigen Praktikanten einzustellen darf einfach keine Methode sein.

Vielleicht war es einfach ein Irrglaube, dass Praktikanten die besseren Arbeitskräfte sind.
Vielleicht ist es auch einfach Zeit, dass gute Arbeit entsprechend bezahlt wird. Und vielleicht profitieren wir alle davon, wenn Praktikanten nicht mehr unbezahlt einen super Job machen, sondern dafür Geld bekommen wie jeder andere auch. Am Ende steigt die Wertschätzung für ihre und auch für unsere eigene Arbeit. Nicht nur in den Agenturen, sondern auch in den Auftrag gebenden Unternehmen.

Seien wir mal ehrlich: Neue Schlupflöcher wird es wieder geben.
Es ist ja nicht so, dass mit dem Mindestlohn die Zeit der schlechten Arbeitsbedingungen vorbei ist. Schlupflöcher für unrühmliche Verträge gibt es viele: Befristete Verträge, Teilzeit, Werk- und Honorarverträge. Auch selbständige Existenzgründungen und Gelegenheitsjobs gehören zu den Bedingungen der jungen Generation.

Die Debatte um den Mindestlohn polarisiert einseitig.
Junge Menschen wollen arbeiten, sie wollen etwas lernen, etwas sehen von der Welt. Sie brauchen Orientierung und Menschen, die sie fördern. Das kann auch in einem Praktikum für 1.400 Euro geschehen. Der Untergang der Ausbildung, den so manche beschwören, wird dies sicher nicht werden. Agenturen haben endlich eine Chance, zu zeigen, dass sie mehr können als nur schlecht bezahlen. Ihrem Image tut das gut.

Die neue Welt der Agentur: Sie befindet sich ohnehin im Wandel.
Die ersten Vorreiter haben das bereits verstanden. Sie vermitteln ihren Wert anders, auch an ihre Kunden. Wenn Agenturen sagen: Das Praktikum ist tot, dann wird es vielleicht bald mehr Trainees geben, einen jüngeren Junior-Chef. Und ein weiterer Nebeneffekt: Junge Menschen sind bei ihrer Berufswahl weniger abhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern, die das Leben neben dem Praktikum am Ende meistens bezahlen. Auch das ist sozial gerechter.

 

Und was meinen unsere Kollegen bei DESIGNERDOCK?
Wir haben uns mal umgehört. Das ist dabei herausgekommen:

Linda Graze, Geschäftsführerin DESIGNERDOCK Stuttgart:
Ein spannendes Thema. Wobei ich das Wort Mindestlohn für Agenturen nicht so sehe. Es geht eher um alle Formen von Low-Budget-Gehältern, die in der Branche üblich sind.

Ulrike Schwarzenberg, Geschäftsführerin DESIGNERDOCK Frankfurt:
Der Mindestlohn wird in der Kommunikationsbranche - außer bei Praktikanten - nicht wirklich zum Thema werden, denn die Agenturgehälter liegen in der Regel deutlich höher. Von daher ist das neue Gesetz für die Branche von der Sache her sicherlich nicht relevant. Eher im "übertragenen" Sinne: wir machen nämlich häufig die Erfahrung, dass Agenturen im Vergleich zu Unternehmen deutlich schlechter zahlen und sich dies zwischenzeitlich stark auf die Attraktivität der Agenturbranche auswirkt. Die Branche bräuchte eine eigene Mindestlohn-Policy und sollte sicherstellen, dass Agentur- und Unternehmensgehälter für vergleichbare Jobs, zum Beispiel Projektmanager oder Grafiker, ein in etwa gleiches Level haben. Sonst wird die Fachkräfte-Erosion der Werbebranche weiter voranschreiten.

Robert Mende, Geschäftsführer DESIGNERDOCK Hamburg:
Der Mindestlohn ist ein Thema, bei dem sich zeigen wird, wie Agenturen in Zukunft ihre Rolle als Arbeitgeber verstehen. Gehen sie wirklich die nötigen Schritte, um langfristig die guten Leute in ihre Agentur oder zumindest in die Branche zu bekommen und auch dort zu halten?

Petra Graef, Geschäftsführerin DESIGNERDOCK München:
Der Mindestlohn ist ein Riesenthema in unserer Branche. Was wird mit den vielen, wie bisher mit 400,-, 500,-, 600,- Euro bezahlten Praktikumsplätzen? Es ist wohl kaum zu erwarten, dass alle Agenturen in Zukunft 1.400,- Euro bezahlen. Die Zahl der Praktikumsstellen wird zurückgehen. Was wird aus den Studienabgängern, die keinen Platz finden? Finden sie auch keinen Junior-Job, weil sie ja "noch gar keine Praxiserfahrung vorweisen können"? Oder werden die Juniorengehälter für solche Leute sinken, eben dann auf 1.400,- Mindestlohn?

Fragen über Fragen - es wird auf jeden Fall spannend. Die Branche  wird umdenken müssen.
By the way - prinzipiell begrüßen wir von DESIGNERDOCK den Mindestlohn. Es gibt in unserer Branche doch einige Fälle von Ausbeutung, die so in Zukunft hoffentlich besser kontrolliert werden können.

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