Mensch, konzentrier Dich!

„Nur kurz.“ Mein Kollege fragt, wann ich mal Zeit hätte. Als nächstes will er wissen, wie die Konferenz am Montag war. Ein Anruf unterbricht uns. Ein Kunde ist dran, er will plaudern. Während mein Gesprächspartner erzählt, überfliege ich Google News und checke meinen Twitterfeed. Eigentlich aber will ich jetzt diesen Blogartikel schreiben.

Konzentration macht vielen von uns zu schaffen. Permanent zwitschert das Smartphone, klingelt eine neue E-Mail, unterbricht der Sitznachbar oder erscheint eine neue Eilmeldung im Nachrichtenportal. Aktionismus, Ablenkung, Daueralarm - wie soll man sich da konzentrieren?

Das müssen wir sogar, sagt der Autor Wolf Lotter. Das Wirtschaftsmagazin Brand Eins widmet sich in seiner April-Ausgabe dem Schwerpunkt Konzentration. Die ausführlichen Recherchen der Journalisten zeigen: Mangelnde Konzentration ist ein relevantes Problem – und ein kompliziertes dazu. Denn: Der Wissensgesellschaft geht die Puste aus. Ping, ping: Drei neue E-Mails. Ich lege den Hörer auf. Dann beginnt mein Kollege, einen Film zu schneiden. Er sucht Töne - ohne Kopfhörer. Das Gebimmel raubt mir den Nerv.

Ist unsere Aufmerksamkeitsgesellschaft eine Ablenkungsgesellschaft?
Lärm ist die Pest und Cholera unserer Zeit. Verkehrsgeräusche, Reizüberflutung und digitaler Overkill verleiten dazu, sich immer schneller ablenken zu lassen. Die US-Designberatung Gensler fand laut Brand Eins heraus: Das dringlichste Bedürfnis der Mitarbeiter sei nicht das nach mehr Austausch, sondern nach mehr Ruhe. Doch die finden viele Arbeitnehmer nicht. Großraumbüros sind weiterhin Standard. Der Trend geht zu offenen Bürolandschaften. Auch wenn sich viele Angestellte nach einem Einzelbüro sehnen.
Ich zähle mit: Während ich hier schreibe, spricht mich mein Kollege dreimal an. Ich erhalte eine SMS, acht neue E-Mails, drei davon privat.

Arbeitsplätze sollten neben Kommunikation auch Konzentration ermöglichen.
Ein gutes Büro müsse sein, wie ein Wald: Mit offenen Lichtungen und undurchdringlichem Dickicht. Das sagen die Brüder Bouroullec. Sie sind zwei der einflussreichsten Gestalter von Büromobiliar. Da gibt es Ecken, in die man verschwinden kann, wenn man Ruhe braucht. Brainstorming auf dem Sofa, Plaudern in der Kaffeeküche. Statt eines Schreibtisches hat jeder ein Schrankfach. Am wichtigsten ist es, autonom entscheiden zu können, wo und wie man arbeitet. Wer diese Gestaltungsfreiheit hat, im Büro zwischen verschiedenen Möglichkeiten wählen kann und auch ein Home Office hat, sei deutlich produktiver, sagt Stefan Reif vom Fraunhofer-Institut. Am erfolgreichsten sind diejenigen Unternehmen, die ihre Leute ungestört arbeiten lassen. Im Mittelpunkt der heutigen Bürowelt hingegen steht oft nicht die Konzentration auf das Wesentliche, sondern die unablässige Kommunikation. Alle Konzepte, die fokussierte Arbeitsplätze zugunsten gesteigerter Zusammenarbeit opfern, erreichen am Ende bei beidem weniger.

Wie schaffen Menschen unter hohem Druck ihr Arbeitspensum zu bewältigen?
Struktur, Struktur, Struktur. Konzentration kommt durch Arbeit, sagt der Lyriker José F. A. Oliver. Jeder entwickelt dazu sein eigenes System, hat seine persönlichen Routinen und ordnet seine Aufgaben anders. Das spielt sich im Büroalltag ein. Ein erfolgreicher Anwalt sagt von sich, er sei den ganzen Tag im Konzentrationstunnel. Sein Tag ist streng eingeteilt: Wenn er Mails und Telefonate abarbeitet, versucht er die Dinge weitest möglichst abzuschließen. Sich zu konzentrieren, heißt sich auch zu entscheiden. Mein Handy klingelt. Ein Telefonat nehme ich an, zwei weitere ignoriere ich. Wenn nur das Mailprogramm auf dem Smartphone nicht wäre. Schon wieder Ping.

Wenn die Konzentration nachlässt, muss man pausieren.
Manche Menschen wie der Anwalt machen einen zehnminütigen Power-nap - das geht natürlich nur, wenn sie ein Einzelbüro haben. Manche holen sich eine Latte Macchiato und ein Stück Kuchen. Bei manchen liegen die Joggingschuhe bereit, um durch den Park zu laufen. Am besten funktioniert das konzentrierte Entspannen: Gemeinsame Zeit mit der Familie verbringen. Im Garten arbeiten. Urlaube planen. Das Handy ausschalten. Endlich ein Buch lesen. Und dann in Ruhe diesen Blogartikel zu Ende schreiben.

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