Neues Gesetz: Es wird eng für Freie!

In Deutschland arbeitet Schätzungen zufolge jeder vierte Freelancer scheinselbstständig. Der Schaden ist enorm: Sowohl für die Rentenkassen, als auch für eure soziale Absicherung. Jetzt hat das Arbeitsministerium Gesetz zur Eindämmung der Scheinselbständigkeit vorgelegt. Was ändert sich dadurch für euch?

Viele Kreative oder IT-Dienstleister arbeiten auf selbstständiger Basis. Doch nicht selten liegt in Wahrheit ein abhängiges Arbeitsverhältnis vor: Die so genannte Scheinselbstständigkeit.

Für Firmen kann das teuer werden. Wird der Status von den Behörden überprüft und festgestellt, dass ein Arbeitsverhältnis besteht, müssen sie bis zu vier Jahre rückwirkend alle Sozialversicherungsbeiträge sowie die Lohnsteuer abführen. Wo genau die Trennlinie zwischen selbstständig und scheinselbstständig verläuft, ist in der Praxis oft unklar. Ein neues Gesetz soll jetzt Rechtssicherheit bringen.

Was das für Scheinselbständige bedeutet:
In Zukunft soll es für Behörden einfacher werden, zwischen Scheinselbstständigkeit und echter Selbstständigkeit zu unterscheiden. Dazu will die große Koalition einen Kriterienkatalog in Rechtsform gießen. Ab 1. Januar 2017 soll es einen neuen § 611a im Bürgerlichen Gesetzbuch geben.

Für die Feststellung, ob jemand Scheinselbständig ist, weil in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist und Weisungen unterliegt, ist eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen.

1. Scheinselbstständigkeit: Das sind die acht Kriterien

  • Kann Zeit, Leistung und Ort der Leistungserbringung frei gewählt werden?
  • Wird die Leistung überwiegend in den Räumen Anderer erbracht?
  • Wessen Arbeitsmittel werden genutzt?
  • Muss mit Anderen zusammengearbeitet werden, die man nicht selbst gewählt hat?
  • Wird die Tätigkeit nur oder fast nur für einen Auftraggeber erbracht?
  • Besteht eine eigene betriebliche Organisation?
  • Wird ein Arbeitsergebnis oder -erfolg geschuldet?
  • Wird Gewährleistung für die Tätigkeit übernommen?


Wichtig: Entscheidend sind nicht einzelne Punkte allein. Vielmehr geht es um eine Gesamtbetrachtung eurer Situation. Das war auch schon bisher in der Rechtsprechung so, ist also nichts Neues. Im Rahmen dieser Gesamtbewertung sollen acht Kriterien besonders eingehend bewertet werden.

Praxistipp: Besonders stark wird in den meisten Fällen die Frage der freien Einteilung von Arbeitszeit und ggf. Arbeitsort gewichtet. Wird diese nicht vorgegeben, liegt im Regelfall Selbstständigkeit vor.

2. Diese Punkte sind derzeit noch strittig

Die ersten sechs Punkte umreißen im Wesentlichen das, was die Gerichte bereits bisher als Kriterien herangezogen haben, um die Verträge voneinander abzugrenzen. Dazu führen sie eine so genannte Abwägung im Einzelfall durch.

Leider ist diese Abwägung nicht ganz so simpel, wie uns nun der Gesetzentwurf glauben lässt.

Denn: Bisher ist die Gesamtbetrachtung, also die Abwägung, welche Kriterien besonders wichtig sind, wie sie sich zu einander verhalten und mit welchem Gewicht sie in die Abwägung eingehen, von der Rechtsprechung niemals in ein festes Verhältnis gefasst worden. Diese Abwägung ist das Herzstück der Rechtsprechung.

Dass die Behörden in Zukunft aufgrund des neuen Gesetzes plötzlich zu den gleichen Ergebnissen kommen, wie die selbst schon nicht immer konsequente Rechtsprechung, darf bezweifelt werden.

Das führt auch heute schon zu erheblichen Unsicherheiten, deshalb folgender

Praxistipp: Wer nicht sicher ist, ob es sich bei einem Job um eine selbstständige Tätigkeit oder eine abhängige Beschäftigung handelt, kann bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund ein sogenanntes Statusfeststellungsverfahren durchführen. Dabei wird auf Antrag geprüft, um welche Art der Tätigkeit es sich handelt und das Ergebnis für alle Sozialversicherungsträger verbindlich festgelegt.

3. Bedeutet der geplante Kriterienkatalog für viele freie Mitarbeiter und Dienstleister das Aus?

Die letzten beiden Kriterien des Katalogs machen stutzig – und sind noch besonders umstritten. Denn: Es handelt sich eindeutig um Merkmale eines Werkvertrags. Rein rechtlich wird nämlich nur im Rahmen eines Werkvertrags ein Erfolg versprochen und eine Gewährleistung übernommen. Die Merkmale taugen insofern nicht zur Differenzierung zwischen Dienst- und Arbeitsvertrag.

Das macht die Sache vor allem für freie Mitarbeiter oder selbstständige Dienstleister wie IT-Unternehmen spannend: Sollten die beiden letzten Kriterien in Zukunft ausschließlich dem Arbeitsverhältnis zugeordnet werden, würden viele von euch, die auf Basis eines Dienstvertrags tätig sind, zu Arbeitnehmern erklärt.

Entweder das Arbeitsministerium hat diese Fälle nicht bedacht – oder es ist ein Versuch, durch die Hintertür sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse einzuführen.

4. Fazit
Für Aussagen zum endgültigen Inhalt des Gesetzes ist es noch zu früh, schon jetzt rechnen viele mit Änderungen. Wir müssen also abwarten, ob vor allem die letzten beiden Kriterien noch entschärft werden. Ob das Gesetz am Ende tatsächlich an Behördenpraxis und Rechtsprechung etwas ändert, ist jedenfalls noch lange nicht gesagt:

Eine Ergänzung zur Situation in der Schweiz hat das DESIGNERDOCK in Zürich verfasst:
 
In der Schweiz ist es etwas anders. Scheinselbständigkeit in der Kommunikationsbranche findet sich hier kaum.  Das Schweizer Recht unterscheidet vielmehr zwischen einem selbständigen oder einem unselbständigen Freelancer. Für den unselbständigen Freelancer müssen Arbeitgeber die Sozialabgaben übernehmen. Der selbständige Freelancer muss hingegen beim Arbeitgeber einen Nachweis vorlegen, dass er seine Sozialabgaben selbst ordentlich abführt. Verstößt ein Arbeitgeber gegen diese Regeln, muss er mit empfindlichen Strafen rechnen – was wiederum das Hintergehen unattraktiv und Image schädigend macht. Detaillierte Information gibt es beim Amt für Wirtschaft.

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