Reaktiv – aktiv – proaktiv
Geht es Ihnen auch so? Einige Worte scheinen regelrecht ihre Bedeutung und Kraft einzubüßen - wir benutzen sie nur mehr in einer verstärkenden Version: Die Dinge und Menschen sind super-cool, affen-stark oder mega-groß!
Als ich dann neulich über das Wort proaktiv stolperte, habe ich ein wenig recherchiert.
Ist proaktiv eine Steigerung von aktiv, weil die reine Aktivität nun nicht mehr ausreicht? Was heißt Proaktivität? Die Vorsilbe pro aus dem Lateinischen kann sowohl vor als auch für bedeuten, was zum einen eine zeitliche Komponente beinhaltet, zum anderen eine bewusste Stellungnahme.
Wenn wir also proaktiv handeln, dann meinen wir die Fähigkeit zu vorausschauendem und initiativem Handeln, um ein gewünschtes Resultat zu erzielen. Etwa ein Anruf beim Auftraggeber, noch bevor unser Projekt abgeschlossen ist (so dass wir über einen weiteren Auftrag räsonieren können); oder eine Vitaminspritze für unsere Kampagne, ehe die Verkaufszahlen ihr Ende einläuten; vielleicht auch einfach die Bestellung von zwei zusätzlichen Kästen Wasser (inklusive eines freien Tages am See), weil die Wettervorhersage eine Woche mit Temperaturen über 30°C ankündigt.
Der Gegensatz zur Proaktivität ist die Reaktivität. Wenn man dafür zwei Modelle benutzt, so sieht dies für die Reaktion folgendermaßen aus: Reiz -> Reaktion. Bei der Proaktivität geschieht zwischen Reiz und Reaktion etwas: Es kommt die Entscheidung - die Freiheit der Wahl - hinzu. Nicht nur, dass ich etwas unternehmen kann, sondern auch was ich tue, bleibt zunächst offen. Im Modell sieht das nun folgendermaßen aus: Reiz -> Freiheit der Wahl -> Reaktion.
Also bedeutet Proaktivität weit mehr, als vorsehend aktiv zu sein und irgendetwas zu tun: Sie beinhaltet neben der Aktion auch die Entscheidung und die Verantwortung für mein Handeln. Die Initiative zu ergreifen heißt, unsere Verantwortung dafür anzuerkennen und von unserer Fähigkeit Gebrauch zu machen, die Dinge zu gestalten. Proaktiv beeinflussen wir den Lauf der Dinge, aktiv sind wir „nur“ tätig.
Der Managementberater und Autor Stephen Covey beschreibt in seinem Buch „Die 7 Wege zur Effektivität“ das Prinzip der Pro-Aktivität und unterscheidet dabei zwischen Interessen- und Einflussbereich. Der Interessenbereich meint unsere Aufmerksamkeit für Dinge, die um uns herum geschehen, aber über die wir keine Kontrolle haben. Das betrifft das Wetter, Wirtschaftsnachrichten, IT-Entwicklungen und vieles andere. Der Einflussbereich beinhaltet die Dinge, bei denen wir etwas bewirken können: Unser Projekt, die Wochenendplanung, unsere Kontakte ... Entscheidend ist nun, wohin wir den größten Teil unserer Aufmerksamkeit lenken: zum Interessen- oder zum Einflussbereich? Reaktive Menschen fokussieren ihre Bemühungen, Zeit und Energie auf den Interessenbereich; das führt dazu, dass sie wenig ausrichten, anderen die Schuld geben und sich zunehmend als Opfer der Umstände erleben. Tragischerweise vernachlässigen sie dabei die Dinge, die sie beeinflussen könnten. In der Folge schrumpft ihr Einflussbereich und sie können tatsächlich zunehmend weniger verändern. Proaktive Menschen hingegen konzentrieren ihre Bemühungen auf ihren Einflussbereich, sie arbeiten an Dingen, bei denen sie etwas bewirken können. Sie übernehmen Verantwortung und stoßen Veränderung an. Durch ihre Aktivität und ihre positive Energie wächst schließlich sogar ihr Einflussbereich!
Es lohnt sich wirklich, proaktiv zu sein. In Zukunft werde ich mich zunehmend „proaktivieren“. Übrigens: Meine Rechtschreibhilfe kennt „proaktiv“ nicht – sie arbeitet noch reaktiv.
Kommentare (1)
Manfred Seuser
am 23.11.2024Ich bedanke mich herzlich, übrigens auch für den humoresken Stil.