Recht-Text: Das Arbeitszeugnis - was Sie schon immer über Textbausteine wissen wollten

Ob ein Jobwechsel ansteht, die befristete Zeit in einer Agentur zu Ende geht oder "sicherheitshalber" ein Zwischenzeugnis angefordert wird - irgendwann sind die meisten Arbeitnehmer in der Situation, ein Arbeitszeugnis entschlüsseln zu müssen.

Jeder Arbeitnehmer hat einen gesetzlichen Anspruch auf ein Abschluss- oder Zwischenzeugnis, was jedoch beim Arbeitgeber angefordert werden muss.

Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes muss das Arbeitszeugnis "wohlwollend formuliert sein und darf das berufliche Fortkommen nicht unberechtigt erschweren" (BGH 26. November 63, DB 1964, S. 517). Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat in einem Urteil vom 21.03.13 sogar festgestellt, dass mittlerweile eine durchschnittliche Bewertung im Arbeitszeugnis der Note „gut“ entspricht. Das Gericht hat allerdings die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Doch die „Übersetzung“ der Formulierungen im Arbeitszeugnis ist für Arbeitnehmer nicht offensichtlich: Die meisten Bewertungen wirken auf den ersten Blick wohlwollend.

Oft steckt der Unterschied zwischen zwei Noten im Detail: während "ausgezeichnet" der Bestnote entspricht, ist schon "hervorragend" "nur noch" eine zwei... Vorsicht ist geboten, wenn die Formulierungen "im Wesentlichen oder "in der Regel" verwendet werden, denn diese deuten darauf hin, dass die Beurteilung zum unteren Ende der Skala tendiert. Auf welche Schlüsselwörter muss man also achten?

Welchen "Schulnoten" entsprechen diese?

Hier einige übliche Formulierungen:

1 - "sehr gut":

Fachwissen: ... besitzt außerordentlich umfangreiche Fachkenntnisse.

Auffassungsgabe, Problemlösungsfähigkeit: ... hat eine sehr gute Auffassungsgabe und kann auftretende Probleme schnell und sicher lösen.

Leistungsbereitschaft, Eigeninitiative: ... identifiziert sich mit seinen/ihren Aufgaben und arbeitet mit sehr viel Engagement und Eigeninitiative.

Belastbarkeit: ... ist auch stärkstem Arbeitsanfall jederzeit gewachsen.

Denk- und Urteilsvermögen: ... besonders hervorzuheben sind seine/ihre ausgezeichneten analytischen Fähigkeiten.

Zuverlässigkeit: ... war stets sehr zuverlässig und arbeitete absolut genau.

Fachkönnen: ... arbeitete jederzeit umsichtig, sorgfältig und rationell.

2 - "gut":

Fachwissen: ... besitzt umfangreiche Fachkenntnisse.

Auffassungsgabe, Problemlösungsfähigkeit: ... erkennt das Wesentliche und ist in der Lage Probleme schnell und zutreffend zu lösen.

Leistungsbereitschaft, Eigeninitiative: ... arbeitet mit viel Engagement und Eigeninitiative.

Belastbarkeit: ... ist auch starkem Arbeitsanfall jederzeit gewachsen.

Denk- und Urteilsvermögen: ... hervorzuheben sind seine/ihre hervorragenden analytischen Fähigkeiten.

Zuverlässigkeit: ... war stets zuverlässig und gewissenhaft.

Fachkönnen: ... selbstständig und sicher, fand gute Lösungen und hatte neue Ideen.

3 - "befriedigend":

Fachwissen: ... verfügt über solide Fachkenntnisse.

Auffassungsgabe, Problemlösungsfähigkeit: ... überblickt schwierige Aufgaben und ist in der Lage Probleme zutreffend zu lösen.

Leistungsbereitschaft, Eigeninitiative: ... arbeitet mit Engagement und Eigeninitiative.

Belastbarkeit: ... ist starkem Arbeitsanfall gewachsen.

Denk- und Urteilsvermögen: ... anzuerkennen sind seine/ihre analytischen Fähigkeiten.

Zuverlässigkeit: ... arbeitete zuverlässig und genau.

Fachkönnen: ... bewältigte seinen/ihren Arbeitsbereich sicher und fand brauchbare Lösungen.

4 - "ausreichend":

Fachwissen: ... verfügt über solides Grundwissen.

Auffassungsgabe, Problemlösungsfähigkeit: ... kann bereichsübergreifende Zusammenhänge erfassen und seine/ihre Kenntnisse umsetzen.

Leistungsbereitschaft, Eigeninitiative: ... grundsätzlich engagiert und mit Eigeninitiative.

Belastbarkeit: ... ist starkem Arbeitsanfall im Wesentlichen gewachsen.

Denk- und Urteilsvermögen: ... in vertrautem Zusammenhang kann er/sie sich auf seine/ihre Urteilsfähigkeit stützen.

Zuverlässigkeit: ... bewältigte die entscheidenden Aufgaben zuverlässig.

Fachkönnen: ... bewältigte seinen/ihren Arbeitsbereich und fand Lösungen.

5 - "mangelhaft":

Fachwissen: ... verfügt über entwicklungs-fähige Kenntnisse seines/ihres Arbeitsbereiches.

Auffassungsgabe, Problemlösungsfähigkeit: ... ist mit Unterstützung seiner/ihrer Vorgesetzten neuen Situationen im Wesentlichen gewachsen.

Leistungsbereitschaft, Eigeninitiative: ... hat der geforderten Einsatzbereitschaft im Wesentlichen entsprochen.

Belastbarkeit: ... ist üblichen Arbeitsanfall im Wesentlichen gewachsen.

Denk- und Urteilsvermögen: ... in vertrautem Zusammenhang kann er/sie sich im Wesentlichen auf seine/ihre Urteilsfähigkeit stützen.

Zuverlässigkeit: ... arbeitet in der Regel zuverlässig.

Fachkönnen: ... erledigte die wesentlichen Aufgaben.

6 - "ungenügend":

Fachwissen: ... hatte viele Angebote, sein/ihr Fachwissen zu aktualisieren.

Auffassungsgabe, Problemlösungsfähigkeit: ... überblickt auf Grund seiner/ihrer Auffassungsgabe in der Regel die ihm/ihr gestellten Aufgaben.

Leistungsbereitschaft, Eigeninitiative: ... hat sich bemüht, der geforderten Einsatzbereitschaft zu entsprechen.

Belastbarkeit: ... war stets bestrebt, den üblichen Arbeitsanfall zu bewältigen.

Denk- und Urteilsvermögen: ... hat sich bemüht, seine/ihre Urteilsfähigkeit zu schulen.

Zuverlässigkeit: ... war um zuverlässige Arbeitsweise bemüht.

Fachkönnen: ... war bestrebt, seinen/ihren Arbeitsbereich zu bewältigen.

Hier finden Sie die Standardformulierungen noch einmal im Überblick

Der Arbeitnehmer muss auch darauf achten, dass im Arbeitszeugnis alle Tätigkeiten und besondere Leistungen der jeweiligen Branche genannt werden. Denn auch fehlende Aussagen zu bestimmten Leistungen können negativ gewertet werden. Wenn branchenübliche Leistungen, wie z.B. die Belastbarkeit eines Art Directors, im Arbeitszeugnis nicht genannt werden, kann dies vom Leser als fehlende Kompetenz verstanden werden.

Arbeitnehmer haben in diesem Fall einen Anspruch auf Änderung ihres Arbeitszeugnisses. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Az.: 9 AZR 632/07). Auch wenn im Arbeitszeugnis offensichtlich falsche Angaben stehen, die der Arbeitgeber trotz Anfrage nicht berichtigt, ist unter Umständen eine Klage auf Korrektur möglich.

Freiberufler und Selbstständige haben keinen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Wenn der Auftraggeber ihnen wohlgesonnen ist, kann aber - auf freiwilliger Basis - ein Empfehlungs- oder Referenzschreiben erstellt werden.

Helene Anders

Fachanwältin für Arbeitsrecht

MAYR Kanzlei für Arbeitsrecht

 

Columbiadamm 29, 10965 Berlin

Tel: +49 30.69 80 90 70

www.mayr-arbeitsrecht.de

 

Jägerstraße 18, 14467 Potsdam

Telefon +49 331.95 13 70 50 

www.mayr-arbeitsrecht-potsdam.de

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