Sicherheit - welche Sicherheit?
Immer wieder erlebe ich bei meiner Arbeit, dass zwischen Unglücklich-Sein und Veränderung für viele das Thema Sicherheit steht: Sie stellt sich ihnen mit breiter Brust in den Weg und verhindert jede Umgestaltung.
Sicherheit: von welcher Sicherheit sprechen wir eigentlich? Was ist denn genau genommen sicher? Es ist erstaunlich, diese Ausprägung von Sicherheit hat keine Generation vor uns gekannt und so wird es sie wohl auch nie mehr geben. Dabei ist sie so jung und steht auf einer fragwürdigen Basis: Erst seit den 50er-Jahren gab es mehr Sicherheit für einen großen Teil der Bevölkerung - und das trotz Kuba- und Erdöl-Krise, dem Eisernen Vorhang mit atomarer Aufrüstung und kaltem Krieg! Wer hat uns eigentlich gesagt, unser Leben könnte sicher sein? Da hat doch Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer (können Sie sich an die Werbung erinnern?) wirklich gute Arbeit geleistet! Die Folgen kennen wir alle, die einen mehr, die anderen weniger: lieber verharren als etwas verändern, denn die Angst vor der Ungewissheit lähmt und schreckt uns. Vielleicht ist die Sicherheit wie ein heißes Vollbad, zunächst wohlig, aber wenn man zu lange darin bleibt, wird man träge, müde und passiv. Geben wir aber das Suchen nach und das Festhalten an der Sicherheit auf, so ist das wie Schwimmen im Meer. (Ich muss Sie wohl kaum an das erfrischende und belebende Gefühl nach so einem Bad erinnern?) Lassen wir uns treiben, spielen wir mit den Wellen, so erleben wir mal höhere, mal weichere Bewegungen, mal sehen wir weit hinaus zum Horizont - und dann wieder nichts als wogendes Wasser, wir verlieren den Boden unter den Füßen um im nächsten Augenblick den harten Sand unter uns zu spüren. Es kann natürlich passieren, dass uns die Wellen mitreißen, wir ein Stück abgetrieben werden, aber dann schwimmen wir hoch und wieder zurück. Wir haben gelernt, die Situation und die Risiken einzuschätzen und genießen das prickelnde Erleben. (In der Regel sind wir ja anfangs an der Hand unserer Eltern mitgegangen.) Lassen wir den Gedanken los, dass alles Unerwartete Risiko, Verunsicherung und Verlust bedeutet, so bemerken wir: Da ist ein Zuwachs an Lebendigkeit, wir werden kreativ und wachsam, nutzen unser Improvisationsgeschick und gewinnen an Gestaltungsfreiraum, wir können unsere gesamten Erfahrungen einbringen und fühlen uns: frei! Und die Sicherheit? Diese gibt es schon - seit mindestens den 90-er Jahren - gar nicht mehr: Der Arbeitsmarkt hat sich stark verändert (und tut es in immer schnelleren Bewegungen und höheren Ausschlägen), Geldanlagen und Versicherungen sind undurchsichtig und unkalkulierbar, Ehen werden nicht mehr für's Leben geschlossen - und auch der Sommer ist nicht mehr das, was wir in Erinnerung haben: zuverlässig-wohlige Entspannung am Abend.
Vielleicht haben wir doch gar nicht mehr so viel zu verlieren - aber noch einiges zu gewinnen? Ich auf jeden Fall gehe sehr gerne im Meer baden - und wenn Sie im Augenblick eine heiße Wanne nehmen wollen: Dann bleiben Sie doch lieber nicht jahrelang darin!
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