11 Antworten zur Leiharbeit

Leiharbeit war und ist noch immer eine vieldiskutierte Arbeitsform. Jedem wird der Ausruf „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ der DGB-Kampagne noch in den Ohren klingen. Doch was ist dran an der Forderung und wie funktioniert Leiharbeit überhaupt? Diese Fragen werden bei den allgemeinen Diskussionen über höhere Löhne oft nicht angesprochen. Häufig fallen auch die Vorteile, die Leiharbeit bietet, unter den Tisch. Insbesondere Unternehmen können noch immer vom Einsatz der Leiharbeit profitieren, denn sie gewinnen hierdurch eine enorme Flexibilität. So kann Leiharbeit bei unvorhersehbaren Ausfälle und zur Bewältigung von Auftragsspitzen ein unentbehrliches Instrument sein. Unternehmen bekommen schnell zusätzliche, qualifizierte Arbeitnehmer ohne zeitaufwändigen Bewerbungsprozess und ohne die  allgemeinen Arbeitgeberpflichten. Beides übernimmt die Leiharbeitsfirma. Der Leiharbeitnehmer ist trotzdem nicht schutzlos, da er bei der Leiharbeitsfirma angestellt ist und gegenüber dieser alle Ansprüche eines normalen Arbeitnehmers inklusive des allgemeinen Kündigungsschutzes hat.

Im Folgenden finden Sie die Antworten auf die 11 wichtigsten fragen zur Leiharbeit.

1. Gibt es einen Unterschied zwischen Leih- und Zeitarbeit?
Nein, bei Leiharbeit, Zeitarbeit und Arbeitnehmerüberlassung handelt es sich um das gleiche rechtliche Instrument. Allerdings wird im allgemeinen Sprachgebrauch und auch in fachlichen Texten häufig ein anderer Eindruck erweckt, da die Rede von „Leih- und Zeitarbeit“ ist. Hiervon sollte man sich nicht täuschen lassen. Neben der Leiharbeit gibt es als weitere Formen des Einsatzes von Fremdpersonal noch die Beschäftigung von Arbeitern im Rahmen von Werkverträgen und Dienstverträgen.

2. Welche vertraglichen Beziehungen bestehen zwischen den Beteiligten?
Kennzeichnend für die Arbeitnehmerüberlassung ist ein Dreiecksverhältnis. Der Leiharbeitnehmer ist bei einer Leiharbeitsfirma (Verleiher) als Arbeitnehmer angestellt. Der Verleiher trägt alle Pflichten eines normalen Arbeitgebers. Er verfügt selbst jedoch nicht über einen tatsächlichen Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer, sondern überlässt ihn an ein anderes Unternehmen (Entleiher). Der Leiharbeitnehmer verrichtet seine Arbeit direkt bei dem Entleiher. Als vertragliche Grundlage für die Überlassung dient der Überlassungsvertrag zwischen dem Entleiher und dem Verleiher. Der Überlassungsvertrag bedarf der Schriftform und muss gewisse gesetzlich vorgeschriebene Angaben beinhalten (§ 10 AÜG). Insbesondere muss der Verleiher erklären, dass er die zur Arbeitnehmerüberlassung erforderliche Erlaubnis besitzt.

3. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit?
Der Grundsatz „Gleicher Lohn für Gleiche Arbeit“ ist gesetzlich festgeschrieben. Leiharbeitnehmer müssen für die Dauer der Überlassung sogar nicht nur hinsichtlich des Lohns, sondern auch hinsichtlich aller anderen wesentlichen Arbeitsbedingungen den Arbeitnehmern des Entleihbetriebes gleichgestellt werden (vgl. § 3 Absatz 1 Nr. 3, § 9 Nr. 2 AÜG). Allerdings birgt dieser gerecht klingende Grundsatz viele Nachteile. Leiharbeitnehmer sind während ihres Arbeitsverhältnisses bei einem Entleiher oftmals bei verschiedenen Entleihern eingesetzt, so dass der Gleichstellungsgrundsatz zu erheblichem administrativem Aufwand beim Entleiher und Verleiher sowie zu schwankenden Arbeitsbedingungen beim Arbeitnehmer führt.

4. Welche Vorteile bringt die Anwendung eines Tarifvertrages?
Durch die Anwendung eines Tarifwerkes der Leiharbeitsbranche kann von dem zuvor beschriebenen Gleichstellungsgrundsatz abgewichen werden, mit der Folge, dass nur noch die Arbeitsbedingungen des Tarifwerkes für den Leiharbeitnehmer gelten. Hierdurch reduziert sich der zuvor beschriebene administrative Aufwand und der Leiharbeitnehmer hat gleichbleibende Arbeitsbedingungen. Zur Zeit gibt es zwei Tarifwerke in der Branche: das DGB/IGZ-Tarifwerk und das DGB/BAP-Tarifwerk. Die Tarifwerke sehen im Wesentlichen gleiche Lohnhöhen vor. Unterschiede bestehen unter anderem bezüglich der Handhabung von Arbeitszeitkonten.

5. Was ist zu beachten, wenn der Leiharbeitnehmer vor der Überlassung an den Entleiher bei diesem angestellt war?
Der Fall der Drogeriemarktkette Schlecker, die ihre Arbeitnehmer in großem Umfang kündigte um sie dann über eine Leiharbeitsfirma als Leiharbeitnehmer auf ihrem alten Arbeitsplatz zu schlechteren Bedingungen einzustellen, führte zu einer gesetzlichen Neuregelung. Nach der Neuregelung haben Arbeitnehmer, die bei ihrem alten Arbeitgeber ausgeschieden sind, um im Folgenden als Leiharbeitnehmer an diesen überlassen zu werden, einen Anspruch auf die wesentlichen Arbeitsbedingungen des Entleihers, also ihres alten Arbeitgebers. Ein Tarifvertrag der Leiharbeitsbranche darf in diesen Fällen nicht angewandt werden. Etwas anderes gilt nur, wenn das Arbeitsverhältnis des Leiharbeitnehmers beim Entleiher länger als sechs Monate her ist. Entleiher und Verleiher sollten deshalb vor der Überlassung prüfen, ob der Leiharbeitnehmer in den letzten sechs Monaten beim Entleiher angestellt war.

6. Brauchen Leiharbeitsfirmen eine Erlaubnis?
Ja, Leiharbeitsfirmen brauchen für ihre Tätigkeit eine Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit (§ 1 AÜG). Dies gilt auch für Verleiher mit Sitz im Ausland, sofern die Leiharbeitnehmer an einen Entleiher mit Sitz in Deutschland überlassen werden.
Der Entleiher sollte vor jedem Einsatz prüfen, ob der Verleiher eine wirksame Erlaubnis besitzt. Ist dies nicht der Fall, entsteht durch gesetzliche Anordnung ein direktes Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher.
Die Erlaubnis bedarf des schriftlichen Antrags bei der Bundesagentur für Arbeit. Sie wird zunächst befristet erteilt und kann dann weiter verlängert werden. Bei der Erlaubniserteilung wird geprüft, ob das Leiharbeitsunternehmen die erforderliche Zuverlässigkeit hat und ob es in der Lage ist, die Arbeitgeberpflichten zu erfüllen. 

7. Was ist bei der Beschäftigung von ausländischen Leiharbeitnehmern zu beachten?
Vor der Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern, sollten Entleiher und Verleiher unbedingt prüfen, ob der Leiharbeitnehmer eine Arbeitserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz hat. Ausländische Arbeitnehmer bekommen gemäß §§ 39,40 AufenthG keine Arbeitserlaubnis, wenn sie als Leiharbeitnehmer tätig werden wollen, so dass hier die Gefahr der illegale Beschäftigung liegt. Wurde die Erlaubnis jedoch erteilt, weil der Arbeitnehmer zuvor eine andere Tätigkeit ausgeübt hat, kann er auch ohne weiteres als Leiharbeitnehmer beschäftigt werden.

8. Können Betriebe des Bauhauptgewerbes auch Leiharbeit nutzen?
Ja, allerdings nur für Arbeiten, die üblicherweise nicht von Arbeitern verrichtet werden. Es können also zum Beispiel Leiharbeitnehmer in der Lohnbuchhaltung eingesetzt werden. Für Arbeiten auf dem Bau ist der Einsatz von Leiharbeitnehmern grundsätzlich unzulässig. Es gibt zwar ein paar Ausnahmen, deren Voraussetzungen sind jedoch äußerst selten erfüllt.

9. Worum handelt es sich bei der Lohnuntergrenze?
In der Leiharbeitsbranche gilt eine allgemeinverbindliche Lohnuntergrenze. Bei der Lohnuntergrenze handelt es sich quasi um einen allgemeinverbindlichen Mindestlohn. Dieser beträgt in den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zur Zeit 7,86 €, in allen übrigen Bundesländern 8,50 € pro Stunde. Es gilt das Mindeststundenentgelt des Arbeitsortes. Auswärtig beschäftigte Leiharbeitnehmer behalten den Anspruch auf das Entgelt ihres Einstellungsortes, soweit dieses höher ist. Der Mindestlohn ist allen, auch ausländischen Leiharbeitnehmern, die an deutsche Unternehmen überlassen werden, zu zahlen. Die Einhaltung der Lohnzahlung wird vom Zoll kontrolliert. Bei Verstößen haftet nicht nur der Verleiher, sondern auch der Entleiher gemäß § 14 AentG.

10. Dürfen Leiharbeitnehmer dauerhaft an einen Entleiher überlassen werden?
Nein, allerdings ist rechtlich noch nicht abschließend geklärt, wann eine Überlassung dauerhaft und wann nur  vorübergehend ist. Außerdem ist nicht klar, welche Konsequenzen ein Verstoß gegen das Verbot hat. Hier besteht also eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Es bietet sich daher an, Überlassungsverträge grundsätzlich zunächst auf zwei Jahre zu befristen und dann gegebenenfalls zu verlängern. Falls besondere Sachgründe die Befristung zusätzlich rechtfertigen, sollten diese ebenfalls in den Überlassungsvertrag aufgenommen werden. Klar ist mittlerweile, dass bei einer dauerhaften Überlassung von Arbeitnehmern kein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher entsteht (BAG, Urt. v. 10.12.2013, 9 AZR 51/13.)

11. Wer haftet, wenn der Leiharbeitnehmer einen Schaden verursacht?
Wenn die Leiharbeitsfirma den Leiharbeitnehmer richtig ausgewählt hat, haftet nur der Entleiher, da er die Aufsicht über die Tätigkeit des Arbeitnehmers hat. Maßgeblich für die richtige Auswahl sind insbesondere die Vorgaben des Entleihers im Überlassungsvertrag. Es sollte daher vom Entleiher drauf geachtet werden, die Vorgaben so genau wie möglich zu machen, um im Vorhinein auszuschließen, dass unqualifizierte Leiharbeitnehmer einen Schaden verursachen.

© 2015 Gabriele Xaver - Rechtsanwältin - Fachanwältin für Arbeitsrecht
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