Am 16. November 2015 veröffentlichte das Bundesarbeitsministerium von Andrea Nahles einen Entwurf zur Neuregelung von Arbeitnehmerüberlassung und anderer Gesetze. Kernstück des Gesetzes ist eine umfassende Reform der Arbeitnehmerüberlassung, in deren Kielwasser sollen allerdings auch Dienst- und Werkverträge gesetzlich genauer definiert werden.
1. Der Inhalt des Gesetzesentwurfs
Dafür soll ins bürgerliche Gesetzbuch (BGB) ein § 611a eingefügt werden. Dieser soll die typischen Pflichten eines Arbeitsvertrags definieren und es den Behörden so einfacher machen, zwischen Scheinselbständigkeit und echter Selbständigkeit zu unterscheiden. Es soll dabei ausschließlich in Gesetzesform gegossen werden, was ohnehin durch die Rechtsprechung bereits so abgegrenzt wurde. So sehen es zumindest der Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung und die Entwurfsbegründung des Bundesarbeitsministeriums vor.
Das Gesetz hat für die Beurteilung ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, zur Voraussetzung gemacht, dass eine sogenannte wertende Gesamtbetrachtung durchgeführt werden soll. Im Rahmen dieser Gesamtbewertung sollen acht Kriterien besonders eingehend bewertet werden.
Die Kriterien enthalten in kurzen Stichworten Folgendes:
2. Das Verhältnis zur bisherigen Rechtsprechung
Die ersten sechs Punkte umreißen im Wesentlichen die Kriterien der Rechtsprechung, um Arbeits-, Dienst- und Werkvertrag voneinander abzugrenzen. Leider ist die Rechtsprechung dabei nicht ganz so simpel wie es nötig wäre, um das Ganze in einen Paragraphen zu fassen, der die Arbeit der Behörden tatsächlich erleichtert. Abschließend ist die Aufzählung im Moment nämlich nicht und wird es durch die Reform nach heutigem Stand auch nicht werden. Die Gesamtbetrachtung, also die Abwägung, welche Kriterien besonders wichtig sind, wie sie sich zu einander verhalten und mit welchem Gewicht sie in die Abwägung eingehen, ist von der Rechtsprechung niemals in ein festes Verhältnis gefasst worden. Die Abwägung, die in jedem Einzelfall neu durchgeführt wird, ist das Herzstück der Rechtsprechung.
Praxistipp: Besonders stark wird in den meisten Fällen die Frage der freien Einteilung von Arbeitszeit und ggf. Arbeitsort gewichtet. Wird diese nicht vorgegeben, liegt im Regelfall Selbständigkeit vor.
Eine Abwägung im Einzelfall müssen die Behörden sowieso bereits durchführen. Die Kriterien der Rechtsprechung sind ja bekannt. Ob sie dabei aufgrund des neuen Gesetzes plötzlich zu den gleichen Ergebnissen kommt, wie die zugegebenermaßen nicht immer konsequente Rechtsprechung, darf bezweifelt werden.
Das führt auch heute schon zu erheblichen Unsicherheiten, deshalb folgender
Praxistipp: Wenn nicht sicher ist, ob es sich bei einem Job um eine selbständige Tätigkeit oder eine abhängige Beschäftigung handelt, kann bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund ein sogenanntes Statusfeststellungsverfahren durchgeführt werden. Dabei wird auf Antrag geprüft, um welche Art der Tätigkeit es sich handelt und das Ergebnis für alle Sozialversicherungsträger verbindlich festgelegt.
3. Werden durch die Hintertür Arbeitsverhältnisse eingeführt?
Auch ansonsten bietet der Entwurf Anlass zur Kritik. Sollte es bei diesem Entwurf bleiben, werden eben nicht nur die Kriterien der Rechtsprechung in ein Gesetz gegossen. Die letzten beiden Kriterien des neuen Gesetzes sind – zumindest bisher –grundsätzlich nicht für ein Arbeitsverhältnis alleine kennzeichnend, sie grenzen Arbeits- und Dienstverhältnis ausschließlich vom Werkvertrag ab. Nur im Rahmen des Werkvertrags wird nämlich ein Erfolg versprochen und eine Gewährleistung für diesen übernommen.
Hier ist der besonders spannende Punkt der Regelung versteckt. Sollten diese Kriterien in Zukunft ausschließlich dem Arbeitsverhältnis zugeschlagen werden, würden weite Teile der auf Basis eines Dienstvertrags Tätigen, wie zum Beispiel Fremdgeschäftsführer oder selbständige IT-Unternehmer, zu Arbeitnehmern zu erklären. Entweder wurde das vom Arbeitsministerium nicht bedacht oder es ist ein Versuch, selbständige Arbeitsformen durch die Hintertür zugunsten von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung zu ersetzen.
4. Fazit
Für Aussagen zum endgültigen Inhalt des Gesetzes ist es allerdings noch zu früh. Bei dem Vorschlag des Bundesministeriums für Arbeit und Justiz um einen sogenannten Referentenentwurf. Dieser muss noch erhebliche Hürden überstehen, bis er tatsächlich so oder so ähnlich zum Gesetz wird. Verläuft alles nach Plan, tritt das Gesetz zum 1. Januar 2017 in Kraft.
Abschließend ist also einerseits abzuwarten, ob vor allem die letzten beiden Kriterien für die Unterscheidung noch entschärft und zum Beispiel nur auf den Werkvertrag bezogen werden, andererseits hat sich die Rechtsprechung auch in anderen Fällen durch Auslegung der Gesetze einen gewissen Spielraum geschaffen. Ob sich durch eine Änderung in der Gesetzeslage an Behördenpraxis und Rechtsprechung überhaupt etwas ändern würde, ist auch deshalb noch lange nicht gesagt.
© 2015 Jon Heinrich - Fachanwalt für Arbeitsrecht
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