Ein Burnout, ein Unfall mit Folgen, eine langwierige Krankheit – für Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen, die innerhalb eines Jahres (12 Monate) länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren, schreibt das neunte Sozialgesetzbuch, § 84 Abs. 2 SGB IX die Durchführung eines „Betrieblichen Eingliederungsmanagement“ (BEM ) vor. Beschäftigte haben ein Recht auf diesen Prozess, um die Arbeitsunfähigkeit möglichst zu überwinden, einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und den Arbeitsplatz zu erhalten.
1. Verpflichtung des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, bei Vorliegen der Voraussetzungen ein BEM durchführen. Er muss die Maßnahme verantwortlich leiten und beobachten, welche Mitarbeiter dafür in Frage kommen und ob die Voraussetzungen für die Durchführung eines BEM in dem jeweiligen Einzelfall vorliegen. Im weiteren Verlauf sollte er den ersten Kontakt zu dem betreffenden Mitarbeiter aufnehmen, damit dann ggf. die erforderlichen weiteren Schritte – wie das Erstgespräch und die Vereinbarung konkreter Maßnahmen – eingeleitet werden können.
2. Die Teilnahme des betroffenen Mitarbeiters ist freiwillig
Die mit dem BEM in Zusammenhang stehenden Maßnahmen können nur mit der Zustimmung des Mitarbeiters umgesetzt werden. Seine Teilnahme ist freiwillig. Es besteht für ihn auch die Möglichkeit, eine bereits erteilte Einwilligungserklärung für die Zukunft zurückzunehmen und damit die Durchführung einer begonnenen Maßnahme zu beenden.
3. Mitarbeitervertretung hinzuziehen
Gibt es in dem Unternehmen einen Personal- oder Betriebsrat (bei schwerbehinderten Beschäftigten die Schwerbehindertenvertretung unter Hinzuziehung des Integrationsamtes), so muss dieser beteiligt werden. Diesen Personen bzw. Stellen wird dadurch die Möglichkeit eingeräumt, konkrete Vorschläge zur Problemlösung zu unterbreiten. Zusätzlich kann es sinnvoll sein, den Betriebsarzt einzubeziehen, der in der Regel die Anforderungen des Arbeitsplatzes und die jeweiligen Arbeitsbedingungen kennt und damit einschätzen kann, welche gesundheitlichen Gefahren dem Beschäftigten drohen könnten.
4. Arbeitgeber kann Aufgaben abgeben
Insbesondere in größeren Unternehmen kann es Sinn machen, die Aufgaben auf Seiten des Arbeitgebers an bestimmte Personen zu delegieren, um die Entscheidungswege abzukürzen und den zeitlichen Aufwand so gering wie möglich bzw. nötig zu halten. Dafür kommen beispielsweise die direkten Vorgesetzten des erkrankten Mitarbeiters oder auch ein Mitarbeiter aus der Personalabteilung in Betracht. Diesen Vertretern sollten eigene Entscheidungskompetenzen eingeräumt bzw. ermöglicht werden, dass durch Rückfragen kurzfristig Entscheidungen des Arbeitgebers abgefragt werden können. Unter zusätzlicher Einbindung des Personal- oder Betriebsrats sowie ggf. eines Mitglieds der Schwerbehindertenvertretung kann damit ein vollständiges spezialisiertes Team eingesetzt werden.
5. Datenschutz
Bei der Durchführung des BEM müssen unbedingt die datenschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden. Der Arbeitgeber und zusätzlich beteiligte Personen behandeln die vom betroffenen Arbeitnehmer erteilten Auskünfte vertraulich.
6. Schriftform erforderlich
Für die Einwilligungserklärungen des erkrankten Mitarbeiters zur Teilnahme am BEM, der Beteiligung weiterer Personen sowie der Weitergabe der erforderlichen Daten in diesem Rahmen ist die Schriftform vorgesehen.
7. Keine Offenlegung der Diagnose
Der erkrankte Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber und den weiteren Beteiligten die Diagnose mitzuteilen. Aber: Die Durchführung der Maßnahmen ist nur dann sinnvoll, wenn die beteiligten Personen über die Einschränkungen, die sich durch die akute Erkrankung ergeben, informiert sind. Ohne diese Informationen lässt sich ein BEM nicht erfolgreich durchführen.
8. Was passiert am Ende der Maßnahme?
Mit der Umsetzung der Maßnahme endet das BEM noch nicht. Im Anschluss daran ist vielmehr zu prüfen, ob die Maßnahme die gewünschten Ergebnisse im Hinblick auf den Gesundheitszustand des betreffenden Mitarbeiters erzielt hat. Es empfiehlt sich auch danach regelmäßig mit dem Mitarbeiter in direktem Kontakt zu bleiben, um mögliche weitere Schwierigkeiten bei der Ausübung der Tätigkeit früh genug zu erkennen und diesen entgegen wirken zu können.
9. Auswirkungen bei Ablehnung durch Arbeitnehmer
Es gibt keine unmittelbaren Auswirkungen, wenn der erkrankte Arbeitnehmer das BEM ablehnt. Die Ablehnung muss nicht begründet werden. Allerdings können sich mittelbare Folgen ergeben. Bei einem nachfolgenden möglichen Kündigungsschutzverfahren kann der Mitarbeiter sich nicht darauf berufen, dass ein BEM nicht durchgeführt wurde oder der Arbeitgeber es nicht versucht hat, den Arbeitsplatz leidens- oder behindertengerecht anzupassen.
10. Keine Sanktionen für Arbeitgeber
Das Gesetz sieht für den Arbeitgeber keine Sanktionen vor, wenn er ein BEM nicht oder nicht ordnungsgemäß durchführt. Dies führt auch nicht zur Unwirksamkeit einer ausgesprochenen Kündigung. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gelten für einen Arbeitgeber, der das BEM nicht oder nur unzureichend durchgeführt hat, allerdings erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast im Kündigungsschutzverfahren.
Fazit:
Mit der Durchführung eines Betrieblichen Eingliederungsmanagement auf freiwilliger Basis soll gleichberechtigt nach sinnvollen Lösungen gesucht werden, damit der dauerhaft erkrankte Mitarbeiter die Möglichkeit hat, seine Tätigkeit auch künftig beim Arbeitgeber auszuführen. Durch frühzeitiges Erkennen der Situation und dem Ergreifen von angezeigten Maßnahmen, die sich gezielt auf eine Verbesserung des Gesundheitszustandes auswirken, soll der Verlust des Arbeitsplatzes vermieden werden. Ziel dieser Maßnahme ist damit die Sicherung und der Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit des gesundheitlich beeinträchtigten Mitarbeiters.
© 2014 Lorenz Mayr - Rechtsanwalt - Fachanwalt für Arbeitsrecht
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