Flüchtlinge und Arbeitsmarkt

Seit Jahren beklagen Arbeitgeber der unterschiedlichsten Branchen einen Mangel an geeigneten Fachkräften. Zugleich bringt die derzeitige Flüchtlingswelle tausende von potentiellen Arbeitskräften ins Land. Dies kann eine große Chance für beide Seiten sein. Wie aber finden Flüchtlinge und Arbeitgeber zusammen? Welche Hürden sind zu nehmen? Einige der wichtigsten Fragen wollen wir nachfolgend beantworten.

1. Voraussetzung für jede Arbeit: Arbeits- und Aufenthaltstitel
Für die Aufnahme einer Beschäftigung in Deutschland ist grundsätzlich eine Arbeitsgenehmigung erforderlich. Diese setzt wiederum einen ausreichenden Aufenthaltstitel voraus. Ein ausreichender Aufenthaltsstatus liegt dann vor, wenn der Asylantrag schon genehmigt wurde. Aber auch Asylsuchende mit einer Aufenthaltsgestattung oder mit einer Aufenthaltsduldung können eine Arbeitserlaubnis beantragen.

2. Dreimonatige Wartezeit
In den ersten drei Monaten dürfen Asylsuchende überhaupt nicht arbeiten. Nach § 61 Asylverfahrensgesetz gilt für diese Zeit ein strenges Arbeitsverbot. Erst nachdem sich ein Asylbewerber drei Monate gestattet im Bundesgebiet aufhält, darf ihm unter bestimmten Voraussetzungen eine Arbeitserlaubnis erteilt werden.

3. Ausnahme von der Dreimonatsregelung: "Arbeitsgelegenheiten"
Vor Ablauf dieser drei Monate sind nach § 5 Asylbewerberleistungsgesetz nur sog. Arbeitsgelegenheiten erlaubt. Das sind ausschließlich solche Arbeiten bei staatlichen, kommunalen oder gemeinnützigen Trägern, die anderenfalls nicht wahrgenommen werden könnten. Hierfür wird nur eine Aufwandsentschädigung von 1,05 Euro je Stunde gezahlt. Zu solchen Arbeitsgelegenheiten können Asylbewerber sogar verpflichtet werden.

4. Wo beantragt man die Arbeitsgenehmigung?
Zuständig für die Beantragung einer Arbeitserlaubnis ist die örtliche Ausländerbehörde. Diese beteiligt dann die Arbeitsagentur für eine eventuell nötige Zustimmung.

5. Gibt es einen Anspruch auf Arbeitsgenehmigung?
Leider nein. Die Arbeitsagentur "kann" nach Gesetzeswortlaut die Genehmigung erteilen. In der Regel wird sie die Genehmigung zwar erteilen, wenn alle Voraussetzungen vorliegen. Ein einklagbarer Rechtsanspruch besteht aber nicht.

6. Welche Arbeiten sind nach drei Monaten möglich?
Vor allem qualifizierte Asylbewerber haben gute Chancen, eine Arbeitsgenehmigung zu bekommen. Allerdings gilt eine Vorrangregelung zugunsten von EU-Bürgern: ein Asylbewerber wird nur dann eine Arbeitsgenehmigung erhalten, wenn die Agentur für Arbeit für diese konkrete Stelle keinen gleich qualifizierten Arbeitnehmer vom deutschen oder EU-Arbeitsmarkt findet. Das schließt de facto viele Arbeitsbereiche von vornherein aus.

7. Erleichterte Bedingungen nach 15 Monaten
Nach Ablauf von 15 Monaten entfällt für Asylbewerber die Vorrangprüfung; eine Arbeitsgenehmigung durch die Ausländerbehörde ist aber immer noch erforderlich.

8. Erleichtertes Verfahren bei Mangelberufen
Für bestimmte Berufsgruppen erteilt die Ausländerbehörde Arbeitsgenehmigungen ohne langwierige Vorrangprüfung, da für diese Berufe ein grundsätzlicher Bedarf am deutschen Arbeitsmarkt besteht. Die Bundesagentur für Arbeit führt hierzu eine regelmäßig aktualisierte Positivliste über sogenannte „Mangelberufe“, die auf der Internetseite der Bundesagentur eingesehen werden kann. Hierzu zählen insbesondere Fachkräfte aus den Bereichen Ingenieurswesen und IT, aber auch Alten- und Krankenpflegekräfte.

9. Dauer des Antragsverfahrens
Leider gibt es keine verlässlichen Richtwerte, wie lang derzeit die Aufenthaltsgenehmigungsverfahren dauern. Aufgrund der aktuell zugespitzten Situation sind viele Ausländerbehörden überlastet. Viel Zeit geht häufig auch auf den Kommunikationswegen zwischen Ausländerbehörden, ZAV und sonstigen Stellen verloren. Grundsätzlich empfiehlt es sich, zur Beschleunigung alle geforderten Unterlagen frühzeitig einzureichen. Auch proaktive Unterstützung durch den Arbeitgeber und Rechtsanwälte können helfen, das Verfahren zu beschleunigen.

10. Arbeitsvertrag trotz fehlender Arbeitsgenehmigung?
Ohne erforderliche Arbeitsgenehmigung ist eine Beschäftigung unzulässig. Beschäftigt ein Arbeitgeber dennoch einen Asylsuchenden ohne die solche Genehmigung, ist das eine Ordnungswidrigkeit. Der Arbeitsvertrag selbst wird dadurch aber nicht automatisch unwirksam, bereits erbrachte Arbeit muss vergütet werden.

Interessierte Arbeitgeber können einen potentiellen Arbeitnehmer aber im Arbeitsgenehmigungsverfahren unterstützen, indem sie mit ihm einen schriftlichen Arbeitsvertrag vorlegen, dessen Beginn von der Erteilung der Arbeitsgenehmigung abhängt. Mit einem konkreten Vertragsangebot wird die Arbeitsgenehmigung oft deutlich schneller erteilt.


© 2015 Jon Heinrich - Fachanwalt für Arbeitsrecht
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