Kündigungsrecht und Vergütungspflicht des Kunden in Internet-System-Verträgen

Das Leistungsbündel von Internet-System-Verträgen
Bereits seit einiger Zeit beschäftigt sich die Rechtsprechung mit so genannten Internet-System-Verträgen. Derartige Verträge beinhalten die Erstellung einer Webseite einschließlich deren Hosting auf den Servern des Anbieters sowie weitere Leistungen, im vorliegenden Fall etwa die Recherche nach der Verfügbarkeit einer Wunschdomain und gegebenenfalls deren Registrierung, ferner weitere Beratungs- und Betreuungsleistungen.

In einem vom BGH am 04.03.2010 entschiedenen Fall ging es um die Frage, wie ein solcher Vertrag rechtlich eingeordnet wird. Insbesondere hat der BGH geklärt, inwieweit ein solcher Vertrag vorzeitig ordentlich während der vereinbarten Mindestlaufzeit gekündigt werden kann und welches Entgelt vom Kunden dann zu entrichten ist. In dem entschiedenen Fall betrug die vertraglich vorgesehene Mindestvertragslaufzeit 36 Monate. Nach den AGB konnte der Vertrag aus wichtigem Grund vorzeitig gekündigt werden. Das ordentliche Kündigungsrecht (§ 649 BGB) war im Vertrag nicht ausdrücklich abbedungen. Der beklagte Kunde war nach den AGB verpflichtet, bei Vertragsschluss eine fällige Anschlussgebühr sowie eine bestimmte monatliche Gebühr, letztere jährlich im Voraus, zu entrichten (BGH, Urteil vom 27.01.2011, Az. VII ZR 133/10).Der klagende Anbieter erbrachte seine Leistungen, indem er die Webseite gestaltete und für einen Zeitraum von sechs Monaten ins Internet stellte. Danach schaltete er die Webseite ab, da der Kunde weder die Anschlussgebühr noch die monatlichen Gebühren gezahlt hatte. Weitere neun Monate später kündigte der Beklagte den Vertrag mit einer ordentlichen Kündigung. Mit seiner Klage verlangte der Anbieter von dem Beklagten die Anschlussgebühr sowie die Vergütung der ersten beiden Vertragsjahre.

Das Kündigungsrecht von Werkverträgen gemäß § 649 BGB
Der BGH bekräftigte zunächst erneut, dass es sich bei derartigen Verträgen um Werkverträge handelt. Das in Werkverträgen vom Gesetz vorgesehene freie Kündigungsrecht des Bestellers steht daher auch Kunden von Internet-System-Verträgen zu. Dieses werkvertragliche Kündigungsrecht beruht auf der Überlegung des Gesetzgebers, dass vor allem der Besteller ein Interesse an der Erbringungen der Werkleistungen hat. Fällt dieses Interesse weg, soll er eine Möglichkeit haben, sich von dem Vertrag zu lösen.

Das Gericht "vergisst" an dieser Stelle auch nicht den Auftragnehmer: Dessen auf die Vergütung gerichtete Interesse wird durch die gesetzliche Vergütungsregelung in Kündigungsfällen ausreichend berücksichtigt. Nach dieser Regelung bleibt ihm sein Vergütungsanspruch - abzüglich ersparter Aufwendungen - grundsätzlich auch für die diejenigen Leistungen erhalten, die er infolge der Kündigung nicht mehr erbringen muss (§ 649 S. 2 BGB).

Der Kunde konnte den Systemvertrag also frei kündigen - die Frage war nur, welche Vergütung er an seinen Auftragnehmer noch zahlen musste.

Vertragskalkulation als Berechnungsgrundlage des Vergütungsanspruchs
Hinsichtlich der Vergütungsansprüche bei einer ordentlichen Kündigung ist zu unterscheiden zwischen den bereits erbrachten und den noch nicht erbrachten Leistungen des Anbieters. Für beides muss der Anbieter grundsätzlich seine Vertragskalkulation offenlegen.

Die Offenlegung der Vertragskalkulation dient zunächst dazu, den Vergütungsanteil für die bereits erbrachten Leistungen korrekt zu ermitteln, wenn sich dieser Anteil nicht ohne weiteres aus dem Vertrag ergibt. Der BGH führte aus, dass allein der Unternehmer, und eben nicht sein Kunde, in der Lage ist, diesen Vergütungsanteil darzulegen. Nicht relevant in diesem Zusammenhang sind die vereinbarten Zahlungsmodalitäten, wie etwa Ratenzahlungen. Bei Internet-System-Verträgen darf nach Ansicht des BGH der auf die erbrachten Leistungen entfallende Teil der Vergütung nämlich nicht einfach mit dem Betrag bewertet werden, der sich aus der Summe der Anschlussgebühr und den vertraglich vereinbarten Ratenzahlungen ergibt. Denn bei solchen Verträgen wird in der Regel der überwiegende Teil der Leistungen vom Anbieter zu Beginn der Vertragslaufzeit erbracht. Die vereinbarte Vorauszahlung der monatlichen Entgelte für das erste Vertragsjahr ist daher in Fällen wie dem vorliegenden deutlich kleiner als die Leistungen des Anbieters in diesem Zeitraum.

Bei der Vergütung für noch nicht erbrachte Leistungen müssen von dem gemäß Kalkulation hierauf entfallenden Teil der vereinbarten Vergütung die für die nicht erbrachten Leistungen ersparten Aufwendungen des Anbieters abgezogen werden. Auch zu den ersparten Aufwendungen muss der Anbieter im Streitfall schlüssig vor Gericht vortragen, sonst droht er mit diesem Teilbetrag mit seiner Klage zu scheitern.

Nachvollziehbare Dokumentation der Vertragskalkulation ist unverzichtbar
Anbieter von Internet-System-Verträgen, aber auch Anbieter anderer Kommunikations- und Mediendienstleistungen sollten spätestens ab jetzt auf eine nachvollziehbare Dokumentation ihrer Vertragskalkulation achten, um im Streitfall die ihnen zustehende Vergütung für die erbrachten und für die nicht erbrachten Leistungen gerichtlich durchsetzen zu können. Sie können nicht darauf vertrauen, dass der Vertrag für die geplante Laufzeit weiterbesteht und ihnen die ursprünglich vereinbarte Vergütung zusteht.

Der Volltext der BGH-Entscheidung mit Anmerkungen ist abrufbar unter www.karsten-chudoba.de .

© 2011 Wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. iur. Stefanie Jehle
Kanzlei Karsten & Chudoba

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