Mailingliste Gefahr Dauerschuldverhältnis durch Bereitstellen einer Mailingliste

Auch die Bereitstellung kostenfreier Dienste im Internet kann vertragliche Pflichten des Anbieters gegenüber seinen Nutzern auslösen. So entschied jüngst das Amtsgericht Hamburg-Mitte (Urteil vom 11.09.2012, Az. 18b C 389/11), dass die Bereitstellung einer Mailingliste gegenüber allen Nutzern dazu verpflichtet, ihnen die Teilnahme an dieser Mailingliste zu gewähren. Schließt der Betreiber einzelne Mitglieder ohne wichtigen Grund aus, macht er sich schadensersatzpflichtig.

Hintergrund des Urteils war ein Streit zwischen einem Rechtsanwalt und dem Betreiber einer Anwalts-Mailingliste, die dem fachlichen Austausch der Rechtsanwälte untereinander diente. Der Betreiber der Mailingliste hatte diesem Anwalt den Zugang gesperrt, weil andere Mitglieder Anstoß an dessen Diskussionsbeiträgen nahmen. Der klagende Rechtsanwalt hatte in offenbar polemischer Weise "bewundert", wie engagiert seine Kollegen den fachlichen Austausch über diese Liste pflegten, und angeregt, diese kostenlose gegenseitige Rechtsberatung doch auch der Allgemeinheit zugänglich zu machen und die Beiträge aus der Mailingliste etwa über eine von ihm betriebene Open Source Plattform Rechtssuchenden im Internet zur freien Verfügung zu stellen. Auf seine Beschwerde gegen den Ausschluss erhielt der Anwalt zur Antwort, dieser sei endgültig und jede weitere Diskussion unerwünscht.

Das Gericht stellte hierzu zunächst fest, dass zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mailing-Listenbetreiber ein unbefristeter auf dauerhafte Leistungen gerichteter Vertrag zustande gekommen ist. Ähnlich wie bei einem Internetforum geht es den Mitgliedern einer Mailingliste in der Regel nicht lediglich um eine einmalige Nutzung, wie das Einstellen eines konkreten Beitrags, sondern um den dauerhaften Austausch und die fachliche Diskussion sowie die Möglichkeit, Reaktionen auf ihre Beiträge zu erfahren. Dieser Austausch sei auch der vom Betreiber ausdrücklich gewollte Zweck der Mailingliste.

Aus diesem Vertragsverhältnis schuldete der Betreiber der Mailingliste jedem Mitglied, das diesen Dienst in Anspruch nimmt, die dauerhafte Teilnahme. Ein solches Dauerschuldverhältnis könne gemäß § 314 BGB nur "aus wichtigem Grund" gekündigt werden. Nach Ansicht des Gerichts begründete das Verhalten des klagenden Rechtsanwalts aber keinen wichtigen Grund, der den Ausschluss von der Mailing-Liste gerechtfertigt hätte. Der Kläger hatte weder gegen Regeln bei der Registrierung verstoßen, indem er etwa falsche Angaben gemacht hatte, noch stellten seine konkreten Beiträge einen seinen Ausschluss rechtfertigenden Verstoß dar. Das Gericht hat ihm daher einen Anspruch auf Wiederaufnahme in die Mailingliste sowie Schadensersatz (in Höhe von 30,40 EUR) hinsichtlich seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten zugesprochen. Eine vorherige Mahnung gegenüber dem Mailinglisten-Betreiber war in diesem Fall entbehrlich, weil dieser seine Leistungen auf dessen Nachfrage endgültig gegenüber dem Rechtsanwalt verweigert hatte.

Das Urteil wird zum Teil scharf kritisiert, weil es außer Acht lasse, dass der festgestellten Leistungspflicht des Betreibers keine Leistungspflicht der Nutzer gegenüberstehe - die Mailingliste war schließlich kostenfrei, und es bestand keine Pflicht, Beiträge zu verfassen. Gleichwohl trifft der Vorwurf, hier sei mit einem "einseitig verpflichtenden Dauerschuldverhältnis" eine neue Rechtskonstruktion geschaffen worden, nicht zu, da selbstverständlich auch der Betreiber einer Mailingliste seinen Vorteil aus ihr zieht - sei es als Akquise- und Marketingtool, oder weil er selbst am über den Verteiler gesammelten Know-how interessiert ist. Zudem haben die Nutzer keinen allgemeinen und unbegrenzten Anspruch auf die Bereitstellung dieses Dienstes und unterliegen bei der Nutzung den vom Betreiber aufgestellten Regeln. Will der Betreiber bestimmte Verhaltensweisen unterbinden, liegt es an ihm, die Inanspruchnahme seines Services an entsprechende Regeln zu knüpfen.

© 2013 Julia Schubert, Rechtsanwältin

Kanzlei Karsten & Chudoba

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