Panoramafreiheit Meinungs- und Rundfunkfreiheit vs. allgemeines Persönlichkeitsrecht eines „Hasspredigers“

Bei der Frage der Zulässigkeit öffentlicher Äußerungen über andere – etwa in der Berichterstattung durch die Presse – geht es regelmäßig um eine Abwägung zwischen dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und der Meinungs- und Presse- oder Rundfunkfreiheit des Äußernden, wobei auch die Berührung öffentlicher Belange und ein öffentliches Informationsinteresse eine Rolle spielen. Entscheidendes Kriterium für den Umfang des Schutzes des Persönlichkeitsrechts ist zunächst die Frage, ob es sich bei der streitigen Äußerung um eine Tatsachenbehauptung handelt, deren Aussagegehalt also einem Beweis zugänglich ist und entsprechend wahr oder unwahr sein kann, oder ob es sich um eine durch Art. 5 des Grundgesetzes besonders geschützte Meinungsäußerung handelt.


Während an der Aufrechterhaltung von nachweislich unwahren Tatsachenbehauptungen bereits grundsätzlich kein schutzwürdiges Interesse bestehen kann, muss der Betroffene wahre Tatsachenbehauptungen in aller Regel auch dann hinnehmen, wenn sie ihm nachteilig oder unangenehm sind – seine Persönlichkeitsbelange können allerdings überwiegen, wenn eine Äußerung die Intim-, Privat- und Vertraulichkeitssphäre betrifft, und kein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit sie trotzdem besonders rechtfertigt.

Bei Werturteilen, die durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, und die als Meinungsäußerung grundrechtlichen Schutz genießen, liegt die Zulässigkeitsgrenze erst an der Schwelle zur Formalbeleidigung, reinen Schmähkritik oder einem Angriff auf die Menschenwürde des Betroffenen. Selbst pointierte, überspitzte oder polemische Charakterisierungen sind dagegen erlaubt.

Als vor einigen Jahren allerdings das ZDF in einem Beitrag zu einer Sendung seines Magazins Frontal 21 über einen ehemaligen Kreuzberger Imam auf seinen Internetseiten zusammenfassend aus einer von dessen Predigten zitiert hat, dieser habe „die Deutschen als stinkende Ungläubige bezeichnet, die in der Hölle landen“, und ihn insofern einen „Hassprediger“ nannte, ist das von diesem in einer auf Unterlassung gerichteten Klage angerufene Landgericht Potsdam zunächst davon ausgegangen, die Bezeichnung "Hassprediger" stelle eine Tatsachenbehauptung dar (LG Potsdam, Urt. v. 08.05.2006, Az. 2 O 221/05). Unter Heranziehung des Straftatbestandes der Volksverhetzung (§ 130 StGB), der u. a. ein Aufstacheln zum Hass "gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe (...)" sowie Angriffe auf die Menschenwürde anderer unter Strafe stellt, kam es zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Begriff "Hassprediger" um eine nachprüfbare Tatsachenbehauptung handele, die zwar ein wertendes Element enthalte, gleichwohl aber auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft werden könne. Weil vorliegend die im ZDF-Bericht enthaltenen "Zitate" aus der Predigt des Imams bereits deren Inhalt nicht korrekt wiedergäben und die vermeintlich behauptete Tatsache, er sei ein Hassprediger, nicht als wahr erwiesen und rechtfertigten, untersagte es mit seinem Urteil der Beklagten sowohl, diesen weiterhin so zu bezeichnen, als auch die weitere Verbreitung seiner zusammenfassenden Zitate aus der Predigt.

Auf die vom ZDF eingelegte Berufung änderte das Oberlandesgericht Brandenburg das Urteil ab und wies die Klage des Imam zurück (OLG BRandenburg, Urt. v. 23.04.2007, Az. 1 U 10/06).

Das Berufungsgericht sah zwar in der Betitelung "Hassprediger" ebenfalls einen klaren Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers, da das Predigen von Hass "unter den zivilisierenden Bedingungen eines rechtsstaatlich verfassten Gemeinwesens (...) auf nicht unerhebliche moralische und/oder psycho-soziale Defizite" verweise. Es hielt diesen Eingriff aber anders als das LG Potsdam durch die grundrechtlich verbürgte Meinungs- und Rundfunkfreiheit gedeckt.

Die Bezeichnung des Klägers als Hassprediger, bzw. als jemand, der Hasspredigten halte, sei aus den zitierten Passagen seiner Predigt abgeleitet und entscheidend durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt. Dabei qualifizierte das OLG den Begriff des Hasspredigers bereits als „Kunstwort“, das keinen bestimmenden Tatsachenkern hinter diesen prägenden Elementen erkennen lasse.

Als Werturteil hat die Betitelung als Hassprediger also doch am Schutz der Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 GG teil, und wenn sie auf einer zwar wertenden, aber doch sachlichen Auseinandersetzung mit dem Betroffenen und dessenen Äußerungen beruht, stellt sie trotz ihrer Schärfe keinen Angriff auf dessen Menschenwürde oder eine Formalbeleidigung dar.


© 2015 Julia Schubert, Rechtsanwältin
Kanzlei Karsten + Chudoba


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