Kaum ein Designer hat seine Agentur-Laufbahn ohne ein Praktikum begonnen, kaum ein Texter, der nicht als Praktikant seine ersten professionellen Schritte gemacht hat.
Während in der Kreativbranche reguläre Arbeitsplätze kaum von den Änderungen durch das Mindestlohngesetz betroffen sind, trifft es die Praktikanten um so härter – und die Agenturen, die bislang oft viel Leistung für wenig Geld erhalten haben. Betroffen sind vor allem Bachelor-Absolventen, die sich nach ihrem Studium orientieren oder die Zeit bis zum Beginn des Master-Studiums überbrücken wollen, sowie Quereinsteiger wie Geisteswissenschaftler. Ihnen wird der Einstieg in die Kommunikationsbranche durch die neue Regelung für Praktika erschwert. Welche Praktikanten sind nun von den Regelungen ausgenommen, und wer darf (oder muss) mit dem Mindestlohn rechnen?
So gut wie alle Arbeitgeber sind davon betroffen:
Beim Einsatz von Praktikanten greifen nun auch in vielen Fällen die Regelungen des Mindestlohngesetztes.
Lesen Sie hier die wichtigsten Punkte zu Praktika mit und ohne Mindestlohnanspruch.
1. Was ist unter einem Praktikum zu verstehen?
Es ist nicht auf die Bezeichnung in dem Vertrag abzustellen. Maßgeblich für den Inhalt eines Praktikums ist vielmehr, die Aufnahme der Tätigkeit für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsausbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt.
2. Gibt es bestimmte Formalien zu beachten?
Praktikanten haben Anspruch auf die schriftliche Niederlegung der wesentlichen Vertragsbedingungen. Spätestens vor Aufnahme der Tätigkeit als Praktikant müssen die Bedingungen unterschrieben ausgehändigt werden. Unterlässt der „Ausbilder“ diese Niederschrift, kann er sich schadensersatzpflichtig machen.
3. Erhalten auch Praktikanten den Mindestlohn?
Zum Teil. Davon ausgenommen sind:
• Pflichtpraktika im Rahmen von Schule, Ausbildung und Studium
• freiwillige Praktika bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder Studium
• Praktika bis zu drei Monaten begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung ohne dass zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Unternehmen bestand
• Einstiegsqualifizierungen nach § 54 a SGB III und Berufsausbildungsvorbereitungen nach §§ 68 – 70 BBiG
• jeder unter 18 Jahren ohne Berufsausbildung
Ein Anspruch auf Mindestlohn besteht für:
• Praktika außerhalb einer Ausbildung oder eines Studiums mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder einem Studienabschluss
• begleitende freiwillige Praktika zu Studium oder Ausbildung, die länger als drei Monate dauern
• begleitende freiwillige Praktika zu Studium oder Ausbildung, wenn zuvor bereits ein Praktikum mit demselben Ausbilder bestanden hat
• freiwillige Praktika zur Orientierung für die Berufs- oder Studienwahl, die länger als drei Monate dauern
4. Orientierungspraktikum: muss das Studium oder das freiwillige soziale Jahr direkt im Anschluss beginnen?
Das Studium bzw. die Ausbildung muss sich nicht unmittelbar an das Orientierungspraktikum anschließen. Das Praktikum gilt somit als Freiwilliges Praktikum (siehe 2.), so dass der Praktikant keinen Anspruch auf Mindestlohn hat, sofern die Dauer von drei Monaten nicht überschritten wird.
5. Sollten die Vertragsunterlagen nach Abschluss des Praktikums aufbewahrt werden?
Der Anspruch auf Mindestlohn verjährt gemäß §§ 195, 199 BGB erst nach drei Jahren. Aus diesem Grund empfiehlt es sich für die Parteien, Dokumente aufzubewahren, die eine Orientierung belegen können.
6. Orientierungspraktikum für die Dauer von z.B. sechs Monaten: Ist der Mindestlohn in diesem Fall von Anfang an oder erst nach drei Monaten zu zahlen?
Dauert das Praktikum länger als drei Monate gilt der Mindestlohn ab dem ersten Tag für die gesamte Dauer des Praktikums.
7. Darf ein Pflichtpraktikum während des Studiums länger dauern als es in der Studienordnung vorgeschrieben ist, ohne dass der Mindestlohn gezahlt werden muss?
Nein. Es ist auch nicht möglich dieses Pflichtpraktikum als dreimonatiges begleitendes Praktikum zu verlängern. Dies ist nur dann möglich, „wenn nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit dem selben Auszubildenden bestanden hat“.
8. Wie sind Werkstudenten zu behandeln?
Werkstudenten sind aus arbeitsrechtlicher Sicht Arbeitnehmer, so dass für sie der Mindestlohn gilt.
9. Wie ist die Situation bei Studenten zu beurteilen, die ihre Masterarbeit im Unternehmen schreiben?
Sofern ein Arbeitsverhältnis begründet wurde, ist in diesem Fall der Mindestlohn zu zahlen. Wird jedoch vom Studenten gar keine Arbeitsleistung im Unternehmen erbracht, z.B. weil er nur Umfragen für eine Statistik seiner Masterarbeit durchführt, kann mit ihm auch ein anderes Vertragsverhältnis begründet werden, das kein Arbeitsverhältnis darstellt und somit nicht mit dem Mindestlohn vergütet werden muss.
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