Agenturen und andere Arbeitgeber, die überwiegend freie Mitarbeiter anstellen, sehen sich immer wieder mit dem Problem der Scheinselbstständigkeit konfrontiert. Vermeintliche Vorteile der selbstständigen Beschäftigung auf Auftraggeberseite sind hohe Flexibilität, Wegfall des Arbeitnehmerkündigungsschutzes und Einsparung von Lohnnebenkosten, können aber schnell ins Gegenteil umschlagen. Im schlimmsten Fall - bei hohen Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen - existenzbedrohend für das Unternehmen sein, wenn bei einer Betriebsprüfung nachträglich festgestellt wird, dass die vermeintlich freien Mitarbeiter tatsächlich Arbeitnehmer, also nur "scheinselbstständig" sind.
Die sozialrechtliche Definition
Nach sozialversicherungsrechtlicher Bewertung ist jede nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 SGB IV), sozialversicherungspflichtig.
Die arbeitsrechtliche Definition
Scheinselbstständig ist, wer laut Vertrag zwar selbstständige Dienstleistungen erbringt, tatsächlich aber nichtselbstständige Arbeiten leistet. Dieser Scheinselbstständige unterliegt sämtlichen arbeitsrechtlichen Regelungen wie z.B. Kündigungsschutz, Arbeitsschutz und Betriebsverfassungsrecht. Im Einzelfall muss jeweils geprüft werden, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt.
Im Einzelfall muss jeweils geprüft werden, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt.
Anhaltspunkte für Scheinselbstständigkeit
Scheinselbstständig ist, wer ...
Anhaltspunkte für eine Selbstständigkeit
Selbstständig ist, wer ...
Die Listen könnten noch weiter ergänzt werden. Wer die Einzelpunkte in Bezug auf ein konkretes Auftragsverhältnis gesondert prüft, wird feststellen, dass viele Punkte aus beiden Rubriken zutreffen. Die Gerichte treffen grundsätzlich Einzelfallentscheidungen. Besonders stark wird oft die Frage der freien Zeiteinteilung gewichtet: Wer also selbst entscheidet, wann und ggf. auch wo er seine Leistungen erbringt, ist in aller Regel selbstständig.
Folgen für die Arbeitgeber
Wird die Sozialversicherungspflicht nachträglich festgestellt, können vom Arbeitgeber rückwirkend für bis zu 4 Jahre Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert werden. Zu zahlen sind vom Arbeitgeber in aller Regel sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung. Zumeist sind auch Lohnsteuer und Vorsteuer nachzuzahlen. Regressansprüche gegen den Arbeitnehmer sind praktisch aussichtslos.
In Zweifelsfällen sollte deshalb eine genauere Prüfung des Beschäftigungsverhältnisses erfolgen. Um schon zu Beginn der Zusammenarbeit sicher zu gehen, kann ein freiwilliges Statusfeststellungsverfahren bei der DRV Bund (Deutsche Rentenversicherung Bund) eingeleitet werden. Wird diese Anfrage spätestens innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt, tritt auf Antrag die eventuelle Versicherungspflicht erst mit Abschluss des Verfahrens, aber nicht rückwirkend in Kraft. Das Risiko hoher Nachzahlungen entfiele somit für das Unternehmen.
© 2011 Jon Heinrich - Rechtsanwalt - Fachanwalt für Arbeitsrecht
MAYR Kanzlei für Arbeitsrecht
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