Und noch'n Gedicht - Datenbankschutz einer Auswahl von Gedichttiteln

"Der Frosch sitzt in dem Rohre, Der kleine, breite Mann, Und singt sein Abendliedchen, So gut er singen kann - Quak! Quak!". Auf dieses Kleinod der Dichtkunst, verfasst von Georg Christian Dieffenbach, ist die Verfasserin beim Durchstöbern der "Freiburger Anthologie" gestoßen, einer Online-Datenbank, die ca. 1.300 Gedichte der "Klassikerzeit" umfasst und nach Autor, Titel, Entstehungsjahr oder im Volltext indexiert ist. Die Gedicht-Datenbank wurde über mehrere Jahre von einem Professor der Universität Freiburg aufgebaut. Ausgangspunkt der Gedichtsammlung war eine von ihm zuvor erarbeitete Gedichttitelliste, welche die bibliografisch relevantesten Gedichttitel enthielt, d.h. solche Gedichttitel die nach der Häufigkeit ihrer Referierungen in der Literaturgeschichte ausgewertet und gerankt worden sind. Die Gedichttitelliste wurde im Internet unter der Überschrift "Die 1.100 wichtigsten Gedichte der deutschen Literatur zwischen 1730 und 1900" von der Universität Freiburg veröffentlicht und konnte nach Autor, Titel, Anfangszeile und Erscheinungsjahr durchsucht werden. 

Kann eine solche Zusammenstellung von frei zugänglichen Daten eigentlich rechtlich geschützt sein? Für die Online-Datenbank und auch für die Gedichttitelliste lässt sich dies durchaus bejahen: Das Urheberrecht schützt Datenbanken im Sinne von Datensammlungen, deren Elemente (hier: Urheber, Titel, Anfangszeilen und Erscheinungsdaten der Gedichte) systematisch oder methodisch angeordnet (Hier: nach ihrer "Wichtigkeit", nach Urhebern, Titeln, Anfangszeilen und Daten) und einzeln abrufbar sind (hier: über die Suchmaske). Hierbei schließt sich sogleich die nächste Frage an: Vor welchen Handlungen schützt das Urheberrecht an einer Datenbank? Was darf von einer Datenbank entnommen werden und was nicht? 

Schauen wir uns hierzu den Rechtsstreit an, der um das lyrische Projekt entbrannte: Unter dem eingängigen Werktitel "1.000 Gedichte, die jeder haben muss", brachte ein Verlag eine CD-ROM heraus, die 856 Gedichte enthielt, die auch in der Gedichttitelliste des "Klassikerwortschatzes" benannt sind. Die hohe Übereinstimmung war kein Zufall: Tatsächlich hat sich der Herausgeber der CD-ROM an der Gedichttitelliste des Freiburger Professors orientiert. Er hat die Liste kritisch überprüft, einige der dort aufgeführten Gedichte weggelassen, einige wenige hinzugefügt und die Entstehungsdaten aus eigenen Materialien recherchiert. Die Gedichttexte zu den aufgeführten Titeln hat der Herausgeber der CD-ROM eigenen digitalen Materialien entnommen. 

Die Universität und der Professor sahen sich in ihren Rechten an der Gedichttitelliste verletzt und warfen dem Verlag vor, wesentliche Teile daraus für seine CD-ROM übernommen und für eigene wirtschaftliche Zwecke verwendet zu haben. Der Herausgeber wähnte sich jedoch auf der rechtssicheren Seite, da eine unmittelbare Leistungsübernahme nach dem Stil "copy + paste" nicht stattgefunden habe. Nach einem langen Zug durch die Instanzen muss er sich jedoch eines besseren belehren lassen. 

Der Bundesgerichtshof entschied, dass auch eine besondere Konzeption bei der Auswahl der Daten vom Datenbankschutz umfasst sei. Bei der statistischen Auswahl der Gedichttitel aus mehreren tausenden vorhandenen Gedichttiteln habe der Professor verschiedene Auswahlkriterien aufgestellt und hierdurch eine objektive Klassifikation der Gedichte nach ihrer bibliografischen Relevanz vornehmen können. Für die CD-ROM sei gerade eben diese Konzeption und Klassifikation übernommen worden. Hierdurch sei das Urheberrecht an der Gedichttitelliste verletzt worden, auch wenn die Gedichttitelliste letztendlich nur der Orientierung diente und die eigentlichen Daten auf der CD-ROM aus anderen Quellen entnommen worden sind. (BGH, Az. I ZR 130/04, Teilurteil vom 24. Mai 2007 und Urteil 13. August 2009 vom - Gedichttitelliste I, EuGH, Rs. C-304/07, Urteil vom 09. Oktober 2008 - Directmedia Publishing). Es kommt also nicht zwingend auf die technische Übernahme der Datensätze an, sondern es genügt, wenn der "Bauplan" übernommen wird, und daraus eine im wesentlichen inhaltsgleiche Datensammlung angelegt wird. 

Ein paar Monate zuvor entschied der BGH bereits in einer ähnlichen Richtung: Das Recht an einer Datenbank könne auch dann verletzt werden, wenn diese Datenbank dazu genutzt wird, um die darin vorhandenen Daten mit einer eigenen Datenbank abzugleichen und die eigene Datenbank entsprechend zu aktualisieren (BGH, Urteil vom 30. April 2009, Az. I ZR 191/05). Hier wurden zwar die wesentlichen Teile der Datenbank nicht in die eigene Datenbank kopiert, aber sie wurden dennoch dazu genutzt, um die Vollständigkeit und Aktualität der Datenbank zu übernehmen. 

Frei zugängliche Informationsquellen sind also nicht unbedingt frei nutzbare Informationsquellen. Der Zugriff auf systematisch geordnete und zusammengestellte Daten und Informationen kann urheberrechtlich problematisch werden, auch wenn nicht die Daten als solche "abgesaugt" werden, sondern wenn sie zur Orientierung oder zum Datenabgleich mit einem Konkurrenzprodukt genutzt werden. Dies gilt nicht nur für Gedichttitel aus vergangenen Jahrhunderten, sondern durchaus auch für Adressdaten, Statistiken, Geografische Informationen, Bibliografien etc. 

© 2009 Rechtsanwältin Katja Chudoba
Kanzlei Karsten & Chudoba

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