Was steht dem Kunden zu? Muss ich als Designer offene Dateien herausgeben?

Die Herausgabe offener Dateien ist ein häufiger Streitpunkt zwischen Designer und Auftraggeber. Offene Dateien sind Dateien, die zu einer direkten Weiterverarbeitung geeignet sind. Während der Auftraggeber die Gestaltungsleistungen möglichst flexibel für beliebige Medien nutzen und dabei möglichst unabhängig vom Designer sein will, ist der Designer eher daran interessiert, an weiteren Bearbeitungen seiner Gestaltungsleistungen weitgehend beteiligt werden und daher möglichst nur geschlossene Datenformate herausgeben zu müssen.

Eine Verpflichtung zur Herausgebe offener Dateiformate besteht nicht schlechthin. Die offenen Dateiformate "gehören" nicht dem Kunden. Ob der Designer diese herausgeben muss, hängt vielmehr von der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien ab, denn der Designer muss nur Leistungsergebnisse übergeben, mit denen er seinen vertraglichen Verpflichtungen entspricht. Sieht der Vertrag z.B. ausdrücklich vor, dass die Gestaltungsleistungen in Form einer PDF-Datei übergeben werden, so ist der Vertrag mit der Übergabe einer PDF-Datei erfüllt, weitere Dateiformate sind nicht geschuldet. Noch klarer wird es, wenn in dem Vertrag ausdrücklich festgehalten ist, dass die Übergabe weiterer Dateiformate, insbesondere die Übergabe offener Dateien, nicht geschuldet ist, sondern gesondert vereinbart werden muss.

Wie stellt sich aber die Situation dar, wenn der Vertrag überhaupt keine Regelung darüber trifft, in welcher Form der Auftraggeber die beauftragten Gestaltungsleistungen vom Designer erhält?

Für diese Situation liefert lediglich das allgemeine Werkvertragsrecht einen Lösungsansatz. § 633 Abs. 2 BGB bestimmt, dass eine Werkleistung - so auch eine Gestaltungsleistung - bei einer fehlenden Vereinbarung über deren konkrete Beschaffenheit dann ordnungsgemäß erbracht ist, wenn sich die Leistung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder zumindest für die gewöhnliche Verwendung eignet, die bei Werkleistungen der gleichen Art üblich ist und die der Auftraggeber daher auch erwarten kann.

Falls eine konkrete Vereinbarung über die zu liefernden Dateiformate fehlt, stellt sich also die Frage, welche genauen Verwendungszwecke für die beauftragten Gestaltungsleistungen in dem Auftrag vorausgesetzt worden ist. Wurde z.B. die Erstellung von Werbebannern für eine Internetkampagne oder die Erstellung von Druckvorlagen für Werbeplakate beauftragt, hat der Designer seine Vertragspflichten ordnungsgemäß erfüllt, wenn er dem Auftraggeber die fertigen Banner-Dateien, bzw. die druckfähigen Dateiformate liefert. Für die Verwendungszwecke Bannerwerbung und Plakatdruck benötigt der Auftraggeber keine offenen Dateien, folglich kann er auch nicht erwarten, diese zusätzlich mit ausgehändigt zu bekommen.

Anders wäre es z.B., wenn der Auftraggeber die Erstellung eines Logos für alle erdenklichen Nutzungszwecke in Auftrag gibt oder sonst wie deutlich zum Ausdruck bringt, dass es ihm auf eine möglichst flexible Nutzung der Gestaltungsleistungen und die Möglichkeit der jederzeitigen Veränderung oder Ergänzung ankommt. Auch die Höhe der vereinbarten Vergütung kann ein Umstand sein, der für die Auslegung der berechtigten Kundenerwartung zu berücksichtigen ist. Wer zur Zahlung einer hohen Vergütung bereit ist, wird auch erwarten dürfen,  dass er weitreichende Nutzungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt bekommt, ohne hierbei vom Designer abhängig zu sein.

Eine für beide Seiten faire und transparente Lösung wäre es z.B. wenn der Designer dem Kunden die Option einräumt, über die für den konkreten Vertragszweck benötigten Dateiformate hinaus, auch die offenen Dateien gegen eine angemessene Vergütung erwerben zu können.   

© 2012 Julia Schubert, Rechtsanwältin
Kanzlei Karsten & Chudoba

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