Das Verlinken fremder Inhalte im Internet ist mittlerweile eine Rechtswissenschaft für sich geworden. Eine für den Online-Journalismus grundlegende Rechtsfrage ist nunmehr eindeutig entschieden worden. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte jüngst die Grundrechtskonformität einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach eine Verlinkung zu einem fremden Online-Inhalt Gegenstand einer Meinungsäußerung und damit von Grundrecht der Presse- und Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt sein kann, dies selbst dann, wenn der verlinkte Online-Inhalt rechtswidrig ist.
Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 14. Oktober 2010, Az. I ZR 191/08) ging lag ein Bericht des Nachrichtendienstes heise online zugrunde, der sich mit der Anti-Kopierschutz-Software "AnyDVD" auseinandersetzte und in diesem Zusammenhang auf die Website des Softwareanbieters verlinkte, auf der die Software angeboten wurde. Softwareangebote zur Aushebelung von Kopiersperren digitaler Medien sind nach dem deutschen Urheberrecht (§ 95a UrhG) verboten. Der von heise online gesetzte Link führte somit zu einem rechtswidrigen Inhalt. Dies rief die großen Vertreter der Medienindustrie auf den Plan und setzte einen langen Marsch durch sämtliche Gerichtsinstanzen in Gang. In den Gerichtssälen stand sich gegenüber der Schutz von technischen Sicherungen des Geistigen Eigentums einerseits, und die Freiheit der Berichterstattung andererseits. Nach zwei Etappensiegen der Musikindustrie konnte sich heise online letztinstanzlich behaupten.
Der BGH entschied, dass ein Link nicht bloß eine technische Erleichterung sei, um ein fremdes Webangebot verfügbar zu machen. So sahen es noch die vorherigen Instanzen, und hielten die Verlinkung zu der Anti-Kopierschutz-Software ausschließlich für einen Tatbeitrag zu dem rechtswidrigen Softwareangebot. Der BGH stellte demgegenüber fest, dass ein Link, vergleichbar einer Fußnote, eine zusätzliche Informationsquelle erschlösse. Dieser informationsverschaffende Aspekt eines Links führe dazu, dass das Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit beachtet werden muss, wenn über die Zulässigkeit einer Verlinkung gerichtlich zu entscheiden ist. Das Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit erstreckt sich nämlich nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Form der Meinungsäußerung oder Berichterstattung, also auf die Art und Weise der Informationsvermittlung.
Weiter stellte der BGH fest, und diese Feststellung ist für die Pressefreiheit nicht minder wichtig, dass der Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit auch Informationen umfasse, welche die Rechte Dritter verletzen könnten. Trotz der in der Weiterverbreitung liegenden Perpetuierung oder sogar Vertiefung der Beeinträchtigung, dürfe über die beeinträchtigenden Tatsachen berichtet werden, wenn ein überwiegendes Informationsinteresse besteht und der Verbreiter sich die beeinträchtigenden Tatsachen nicht zu eigen macht.
Die zuletzt genannten Kriterien sind besonders wichtig, um die Zulässigkeit einer Verlinkung zu rechtswidrigen Inhalten klar gegen deren Unzulässigkeit abzugrenzen: Es muss zunächst überhaupt ein berechtigtes Informationsinteresse bestehen. Ein Gericht hat zwar nicht darüber zu entscheiden, ob ein bestimmtes Thema interessant oder berichtenswert ist, aber es muss zumindest eine ernsthafte Auseinandersetzung mit einem Thema, das für die Öffentlichkeit interessant sein kann, erkennbar sein, und die Verlinkung muss in diesem Zusammenhang erfolgen. Weiter darf sich der Verlinkende den verlinkten Inhalten nicht zu eigen machen, sich also nicht mit ihm identifizieren oder ihn gar empfehlen.
Diese Kriterien dürften dem entsprechen, was für seriöse Online-Berichterstattung ohnehin ehernes Gesetz sein sollte: Dem Leser sollen diejenigen Informationen, über die berichtet wird, zugänglich sein, damit er sich ein eigenes Bild über den Gegenstand der Berichterstattung machen kann.
© 2012 Katja Chudoba, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Gewerblichen Rechtsschutz
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